Sessionsbrief Herbstsession 2013

Eine Session, ohne viele Gesetzesvorlagen, dafür mit hunderten von Motionen, Postulaten und parlamentarischen Initiativen.

FATCA: Gegenüber den endlosen und sehr emotionalen Diskussionen zum Bankenabkommen mit der USA in der Sommersession verlief dieses Geschäft relativ ruhig. Mit FATCA wird die künftige Zusammenarbeit der Banken mit Amerika in Bezug auf amerikanische Bankkunden geregelt. Die Banken werden dazu verpflichtet, Konten von US-Kunden den Steuerbehörden zu melden. Der Rat stimmte ohne grosse Euphorie dem Geschäft zu: Die SP wollte auf den automatischen Datenaustausch se-tzen, stimmte aber mehrheitlich zu oder enthielt sich der Stimme, der SVP ging der „Angriff“ auf das Bankgeheimnis zu weit und sie lehnte das Geschäft einstimmig ab.

Agrotreibstoffe: Unter diesen Begriff fallen Energieträger wie Ethanol aus Zuckerrohr oder -rüben, Mais, Weizen, Pappeln, Eukalyptus sowie Diesel aus Raps, Soja, Palmöl oder Jatropha. Studien von OECD, Weltbank und Empa belegen, dass das Recht auf Nahrung durch die Verwendung von Lebensmitteln zur Treibstoffgewinnung gefährdet wird. Energiepflanzen konkurrenzieren die Nahrungsmittelproduktion insbesondere durch die Nutzung von Land und Wasser, zudem drohen je nach Land gewaltsame Vertreibungen von Einheimischen. Die Änderungen im Umweltschutzgesetz sind daher dringend notwendig. Es sollen ökologische und soziale Zulassungskriterien für Agrotreib- und –brennstoffe eingeführt werden. Die Vorlage wurde zwar angenommen, aber die gesamte SVP und ¾ der FDP stimmten dagegen. Das ist beschämend.

Kampfflugzeuge: Sinnigerweise war das Geschäft zum Kauf von 22 Gripen-Kampfflugzeuge für 3,1 Milliarden Franken gleich nach dem Abstimmungssonntag über die freiwilligen Wehrdienst angesetzt. Ueli Maurer war sichtlich guter Laune. Die Sache war im Nationalrat dann rasch geklärt: Zwar reichte Walter Müller (FDP/SG) noch einen chancenlosen Rückweisungsantrag ein, mit dem Auftrag, noch andere Anbieter zu prüfen, bei der Gesamtabstimmung war das Resultat aber mit 113 zu 68 Stimmen klar. Die SP, die Grünen und die GLP stimmten geschlossen dagegen, 2 CVPler halfen noch mit, die anderen Parteien dafür. Jetzt hilft nur noch das Referendum gegen dieses unsinnige Geschäft, das selbst Militärexperten als überflüssig bezeichnen. Das VBS war dann auch gleich in Festtagslaune und beantragte ein neues Rüstungsprogramm 2013 von rund 740 Mio. Franken, welches hauptsächlich für den Kauf von Truppenfahr­zeugen und ähnliches dient. Gleichzeitig wurden auch noch 500 Mio. Franken für Militär-Immobilien gesprochen. Warum so viel Geld in Bauten gebuttert wird, bevor klar ist, wohin es mit der Armee geht, ist mir unverständlich. Beide Vorlagen fanden locker ihre Mehrheit.

Alkohol: Viel ich von der Revision des Alkoholgesetzes erwartet, im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch, nichts ist davon übriggeblieben. Bei allen Abstimmungen unterlagen wir, oft zusammen mit den Grünen. So gibt’s Steuererleichterungen für einheimische Schnapsbrenner. Alle Präventionsmassnahmen wurden herausgestrichen, sei es ein Nachtverkaufsverbot von 22 bis 6 Uhr in Läden, das Verbot von Happy Hours für alkoholische Getränke oder ein Mindestpreis für alkoholische Getränke. In der Gesamtabstimmung haben SP und Grüne die Vorlage abgelehnt.

Hausarztmedizin: Nach mehreren Beratungen haben sich in dieser Session die beiden Räte auf einen direkten Gegenvorschlag zur Hausarztinitiative geeinigt. Darin wird unter anderem festgehalten, dass Bund und Kantone für eine allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität sorgen und die Hausarztmedizin als wesentlichen Bestandteil dieser Grundversorgung anerkennen. Der Vorschlag ist gut, so dass die Initianten ihre Initiative zurückgezogen haben. Jetzt kommt nur der Gegenvorschlag zur Abstimmung. Ich gehe davon aus, dass er auch in der Bevölkerung eine hohe Zustimmung erlangen wird.

Pädophilie: Die Initiative will ein sehr starres, lebenslanges Berufsverbot, ohne Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit. Eine Tendenz, die sich bereits in einer Reihe früherer Initiativen manifestiert. Alle vorgeschlagenen Gegenprojekte, die das Problem auf Gesetzesstufe aufnehmen wollten und die Kinder umfassend vor sexueller Gewalt schützen wollten, wurden von den Initianten abgelehnt. Die Initiative wird Wortlaut gemäss nicht umgesetzt werden können und somit in einen endlosen Umsetzungsstreit münden, sollte sie vom Volk angenommen werden. Und dass sie dies wird, ist gut möglich, denn schon im Nationalrat unterstützten die SVP und BDP geschlossen, die FDP und CVP mehrheitlich eine zustimmende Empfehlung zur Initiative.

Sanktionenrecht: In verschiedenen Bereichen soll das Sanktionenrecht verschärft werden, obwohl es erst 2007 in Kraft getreten ist. Neben den bedingten Geldstrafen bei leichteren Delikten wird die Möglichkeit von kurzen Haftstrafen ab bereits 3 Tagen wieder eingeführt und die Hürde, eine Strafe bedingt auszusprechen soll erhöht werden. Auch Fussfesseln sollen unter bestimmten Bedingungen im Strafvollzug zulässig sein. Die SP ist auf die Vorlage eingetreten, hat aber klar betont, dass, wenn beide Sanktionsarten (Haftstrafe oder Geldstrafe) die gleiche Wirkung versprechen, dass dann die Geldstrafe eingesetzt werden muss. Zudem setzten wir uns dafür ein, dass der minimale Tagessatz 10.- statt 30.- Franken beträgt. Es darf nicht sein, dass schlussendlich die Reichen sich ihre Strafe kaufen, während die Armen im Gefängnis sitzen. Die SP enthielt sich bei der Gesamtabstimmung der Stimme, und will jetzt abwarten, was der Ständerat aus diesem verkorksten Gesetz macht.

Vorstösse: In dieser Session haben wir über 250 (!) Motionen und Postulate abgestimmt. Die Präsidentin Maya Graf wies aber darauf hin, dass die Warteliste mit den neu eingereichten Vorstössen bereits wieder gut gefüllt sei. Im Folgenden einige Muster aus den behandelten Vorstössen:

Gewässerschutz und Landschaft: Den Gewässern ging es so richtig an den Kragen. Erst 2011 trat eine von den Räten verabschiedete Revision des Gewässerschutzgesetzes in Kraft, welche zum Rückzug der Initiative „Lebendiges Wasser“ führte. Jetzt häufen sich die Motionen, die den Raum für Gewässer wieder beschränken wollen, ein Hauptthema der Initiative und des neuen Gesetzes. Mit satter Mehrheit der Mitte- und Rechtsparteien wurden die Vorstösse an den Bundesrat überwiesen. Das gleiche Schicksal droht auch den BLN-Gebieten und der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission. Auch sie stehen politisch so stark unter Druck, dass verschiedene Verbände an die Lancierung einer Initiative denken, um Gegensteuer zu geben.

Es wird weiter umverteilt: Auch diese Session wurden von der bürgerlichen Mehrheit wieder Aufträge für verschiedene Steuergesetzänderungen an den Bundesrat überwiesen. Zum Beispiel setzten sich FDP und SVP mit einer hauchdünnen Mehrheit von 91 zu 89 Stimmen dafür ein, dass Banken ihre von ausländischen Behörden verhängten Bussen von den Steuern abziehen können. Ein weiteres Müsterchen: Eine Mehrheit aus SVP, FDP und BDP beauftragen den Bundesrat, dass die Stempelabgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen sowie auf rückkaufsfähige Lebensversicherungen abgeschafft wird. Der Bundesrat wollte beide Vorhaben nicht entgegen nehmen, weil dadurch der Staatskasse Geld fehlen wird, das anders wo reinkommen oder gespart werden muss.

Partikularinteressen: Richtig ärgerlich ist, dass es der bürgerlichen Mehrheit immer wieder gelingt, Partikularinteressen durchzudrücken. Beispielsweise wurde der Bundesrat jetzt beauftragt, Treibstoff für Pistenfahrzeuge von der Mineralölsteuer zu befreien. Es gibt keinen Grund für diese Spezialbehandlung, aber eine Mehrheit sah dies anders. Ein anderes Beispiel: Benötigen Bauern Leistungen aus der IV, soll diese so angepasst werden, dass ein beschränkt arbeitsfähiger Landwirt zusammen mit der Rente der IV ein angemessenes Einkommen erzielen kann. Die Forderung nach existenzsichernden Einkommen ist grundsätzlich angebracht, aber dies sollte für jede Person aus Tieflohnberufen gelten. Die Leistungen der IV müssen für alle gleich sein. Aber für eine solche Verbesserung für alle findet sich keine Mehrheit.

Aussenpolitische Kommission APK: Zum ersten Mal durfte ich als Kommissionssprecherin auftreten. Ich stellte den Tätigkeitsbericht der IPU, der interparlamentarischen Union, vor. Diese Organisation versteht sich als die Weltorganisation der Demokratie und bietet ein globales Diskussionsforum für Parlamentsmitglieder für aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen. Sie setzt sich für den Aufbau von demokratischen Strukturen und für die Menschenrechte ein und unterstützt ParlamentarierInnen, die in ihren Ländern verfolgt und inhaftiert werden. An der nächsten Sitzung der APK in Genf werden wir gewichtige Dossiers bearbeiten, wie beispielsweise das Freihandelsabkommen mit China, die Institutionellen Fragen zwischen der Schweiz und Europa (Europäischer Gerichtshof, EFTA-Gericht), die Lage in Syrien oder die WTO-Ministerkonferenz in Bali. Bereits in dieser Sessionen wurden verschiedene Informationsveranstaltungen mit InteressenvertreterInnen abgehalten, was für die Vorbereitung der Geschäfte sehr hilfreich ist.