Sessionsbrief Wintersession 2013

Die Wintersession war geprägt vom Voranschlag 2014 und den Wahlen der neuen Ratspräsidien. 3 Personen der SP wurden als Vizes gewählt: Simonetta Sommaruga im Bundesrat, Claude Hêche im Ständerat und Stéphane Rossini im Nationalrat. 2015 wird ein echtes SP-Powerjahr!

Mindestlöhne Die erste Sessionswoche endete mit der Monsterdebatte zur Mindestlohninitiative. Über 70 Rednerinnen und Redner. Bei der 1:12 Initiative hatten die Gegner gemeckert, die Initiative setze nur bei den oberen Löhnen an und nicht bei den tiefen, deshalb nütze sie nichts. Die Mindestlohninitiative setzt bei den untersten Löhnen an: 4000.- Fr. im Minimum. Nun sagen die gleichen Gegner, das gehe nicht, das mache die Wirtschaft kaputt. Fakt ist, jeder Franken der bei den Mindestlöhnen eingesetzt wird, lindert die Armut und kurbelt die Wirtschaft an, weil dieses Geld zum Leben gebraucht und wieder ausgegeben wird. Heute verdienen 330‘000 Arbeitnehmende in der Schweiz unter 4000.- Franken, 2/3 davon sind Frauen. Ihnen bringen die Mindestlöhne sofort eine deutliche Verbesserung. In der reichen Schweiz soll niemand trotz Vollzeitarbeit von seinem Einkommen nicht leben können und gar noch Sozialhilfe beziehen müssen, um die Familie durchzubringen. Ein Mindestlohn ist zudem das beste Mittel gegen Lohndumping. In der Schlussabstimmung lehnten ausser der SP und den Grünen alle Fraktionen die Initiative ab (137:56 bei 2 Enthaltungen). Im gleichen „Aufwisch“ wurde auch eine Motion aus dem Ständerat erledigt: Mit 126:60 schmetterte der Nationalrat eine einfachere Verbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen ab. Für die Anliegen der Arbeitnehmenden ist das bürgerlich dominierte Parlament blind.

Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen Dieses Gesetz geht auf eine parlamentarische Ini­tiative von Paul Rechsteiner zurück. Damit soll den Menschen Gerechtigkeit widerfahren, die vor dem 1. Januar 1981 aufgrund der damaligen geltenden kantonalen Bestimmungen durch kantonale oder kom­munale Behörden ohne Gerichtsurteil weggesperrt wurden. Die Rehabilitation führt aber nicht auto­matisch zu einem Schadenersatzanspruch. Dies muss ausserhalb des Gesetzes geregelt werden. Ob­wohl die Geschich­ten der betroffenen Menschen uns stark berührt hatten, scheint das bei einem gros­sen Teil der SVP keine Wirkung gehabt zu haben: 45 von ihnen stimmten bei der Gesamtabstimmung NEIN. Pfui.

Krankenversicherungsgesetz Dieses Gesetz ist auf die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung ausgerichtet. Was darin fehlt, ist eine wirkungsvolle Aufsicht über die Krankenversicherungen. Diese ist aber immer wichtiger geworden, da heute neben der Grundversicherung viele Zusatzversicherungen ange­bo­ten werden, die notwendige Transparenz über Strukturen und Finanzen aber gänzlich fehlt. Der Bundes­rat wollte mit einer Revision vorwärts machen. Alle Versicherten haben ein Interesse an dieser erhöhten Transparenz. Aber nur die SP, Grünen und GLP (mit einer Ausnahme) unterstützten geschlossen die Vor­lage, in allen anderen Fraktionen waren es nur einzelne, so dass die Revision zurückgewiesen wurde. Die Dunkelkammer bleibt also geschlossen – das gibt der Initiative für eine öffentliche Krankenkasse weiter Aufwind!

„Schluss mit der MWST-Diskriminierung des Gastgewerbes“ An der Diskussion zur Initiative beteiligten sich 22 RednerInnen. Die Initiative verlangt, dass die Gastronomie dem reduzierten MWST-Satz unterstellt wird, wie Lebensmittel im Laden. Die Diskussion gipfelte dann auch in Vergleichen, was nun sozialer sei, Gipfeli zu Hause zu essen oder im Café, Pizzas im Restaurant oder auf der Strasse – die SVP machte einen Klamauk daraus, den Bundesrätin Widmer-Schlumpf schlagfertig parierte. Es ist klar, es gibt Schnittstellen zwischen Gastronomie und Take-away. Wichtig waren uns in der SP die hohen Steuerausfälle: 750 Millionen bei Steuern und AHV. Dass dieses Geld dafür in den Portemonnaies der RestaurantbesucherInnen bleibe, überzeugte nicht. Einerseits ist nicht sicher, ob die Reduktion an den Kunden weitergegeben würde, andererseits begünstigt es vor allem Leute, die gediegen auswärts essen. Schlussendlich ist es eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Mit 94:78 bei 17 Enthaltungen empfiehlt der Nationalrat die Ablehnung der Initiative.

Weiterbildungsgesetz Mit diesem Gesetz soll explizit die Bildung für Erwachsene gefördert werden. Alle sollen Zugang zu Bildung haben, lebenslang. Das ist ein wichtiges Anliegen der SP. Weil es sich um ein Rahmengesetz handelt, ist im Bereich der Finanzierung nichts geregelt. Das muss noch dringend geklärt werden. Der Zugang zu Bildung muss allen offen stehen und darf wenig Verdienende nicht ausschliessen. Das Gesetz fand denn auch durchwegs Unterstützung, ausser bei den meisten SVPlern. Lebenslanges Lernen ist nichts für sie – schade, oder?

Freihandelsabkommen mit China Dieses Freihandelsabkommen wäre das erste eines europäischen Staates mit China. Es ist daher besonders kritisch zu hinterfragen, stellt es doch eine Art Standard dar, für die kommenden. Der Bereich Nachhaltigkeit und damit auch Umweltbelange sind ins Abkommen aufgenommen worden, in einem Zusatzabkommen auf Ministerienstufe werden auch die Arbeitsbedingungen erwähnt, aber über Menschenrechte, Minderheitenschutz, Demokratierechte oder über Tibet schweigt sich das Abkommen aus. Deshalb wollten wir zwar Eintreten auf das Geschäft, denn der Dialog mit einem aufstrebenden Wirtschaftspartner ist wichtig, aber die grosse Mehrheit der SP wollte dann eine Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, ein Zusatzabkommen zu den Menschenrechten zu erarbeiten. Das hatte keine Chance. Leider hatten auch unsere Zusatzanträge, die mehr Transparenz bei Produzenten und Herkunft sowie eine bessere Überwachung der im Abkommen enthaltenen ökologischen und arbeitsrechtlichen Bedingungen forderten, keine Chance. Eine Mehrheit der SP-Fraktion und vereinzelte Grüne und CVPler lehnten deshalb das Abkommen ab.

Pädophile sollen nie mehr mit Kindern arbeiten Mit Anpassungen im Strafrecht hat das Parlament eine Art indirekten Gegenvorschlag zur SVP-Initiative geschaffen. Dieser ist direkt umsetzbar, schützt Kinder besser vor Gewalt, schafft Tätigkeits-, Rayon- und Kontaktverbote, lässt aber das in jedem Fall geforderte lebenslängliche Berufsverbot weg, welches rechtsstaatlich problematisch ist. Das Gericht kann ein solches aussprechen, muss aber nicht. Der SVP und BDP ging dies zu wenig weit, weshalb sie sich bei der Schlussabstimmung enthielten (115:0 bei 79 Enthaltungen). Die Initiative kommt wahrscheinlich im Mai 2014 zur Abstimmung.

Voranschlag 2014 Nachdem der Nationalrat mit dem Rasenmäher 50 Millionen Franken beim Personal und 150 Millionen Franken beim Sachaufwand wegrasiert hatte und auf der anderen Seite die Exportsubventionen für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte von 70 auf 78 Millionen erhöht hatte (das sogenannte Schoggigesetz, damit werden exportierende Grossunternehmen wie Nestlé, Chocolat Frey oder Emmi unterstützt!) wechselte die Vorlage mehrmals zwischen Ständerat und Nationalrat. Der Ständerat wollte diese sinnlosen Kürzungen bei Personal und Sachaufwand ohne Not nicht hinnehmen und anerkannte damit, dass immer neue Aufgaben nicht ohne die notwendigen finanziellen Ressourcen erfüllt werden können, z.B. die Aufstockung des Grenzwachcorps. Immerhin waren beide Räte ja auch bereit, den Gripenfonds reichlich mit Geld zu füllen. Die 50 Millionen für das Personal konnten in der 2. Runde im Nationalrat gerettet werden, die Differenzen bei den beiden anderen Posten blieben bestehen. Schlussendlich musste die Einigungskonferenz von National- und Ständerat eine Lösung vorschlagen und zwar sagte sie Ja zur Erhöhung beim Schoggigesetz und Nein zur Kürzung beim Sachaufwand. Dem stimmte der Nationalrat nicht zu. Damit gelten automatisch bei beiden Posten der tiefere Wert, d.h. die Sachauslagen werden um 150 Millionen gekürzt, das Schoggigesetz nicht um 8 Millionen aufgestockt. Es stimmt schon: bei einem Voranschlag von 66 Milliarden sind 150 Millionen nicht so viel Geld. Den Sparfanatikern ging es aber einfach darum, ein Zeichen zu setzen: in der Verwaltung hat es immer noch Luft drin. Diese Haltung vertrat die geschlossene SVP, die grosse Mehrheit der FDP und – die ganze GLP!

Mit dieser Wintersession schliesst sich für mich bereits das erste Sessionsjahr im Nationalrat. Die Zeit ist im Flug vergangen. Es gibt noch so viel zu tun, um unser reiches Land sozialer zu machen und für mehr Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen. Eine Herausforderung im kommenden Jahr wird auch unsere Beziehung zu Europa. „Eine soziale Schweiz in einem sozialen Europa“  ist für mich das Leitmotiv darin sein. Die  Arbeit im Nationalrat ist enorm spannend, aber auch zeitintensiv. So gilt es für mich auch die Berufstätigkeit nebenher neu zu planen und einzuordnen.
Jetzt wünsche ich euch allen schöne Festtage und ein gutes neues Jahr!

Claudia Friedl