Sessionsbrief Wintersession 2014

Die Wintersession ist die Session des Budgets und die Wahl der Präsidentinnen und Präsidenten.

Wahlen: Auf ins neue SP-Jahr! Im Jahr 2015 stellt die SP alle Präsidien in Bundesbern: mit Ständeratspräsident Claude Hêche, Nationalratspräsident Stéfane Rossini und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Wenn das nicht ein gutes Omen für die Wahlen 2015 ist!

Budget 2015: Das Gesamtbudget des Bundes beläuft sich auf 67.5 Milliarden Franken. Der Bundesrat budgetierte für 2015 gar einen Überschuss von rund 500 Mio. Fr. und auch in den nächsten Jahren ist kein Defizit in Sicht. Trotzdem herrscht Sparwut, so hatte der Bundesrat im Budget flächendeckend etwa 1.1 % gespart und in verschiedenen Bereichen auch mehr. Die Finanzkommission verlor dann jedes Augenmass und kürzte bei der Entwicklungshilfe, um dafür die landwirtschaftlichen Subventionen hinaufzufahren. Dazu nur dies: Das Parlament hatte 2011 beschlossen, bis zum Jahr 2015 die öffentlichen Entwicklungsgelder auf ein Niveau von 0.5 % des Bruttonationalprodukts zu heben. Kurz vor dem (fast erreichten) Ziel wollte man nun wieder zurückkrebsen. Immerhin, das Plenum korrigierte dies – und die Bauern setzten sich mit ihren Forderungen trotzdem weitgehend durch. Der Grund: Die Bauern müssen jetzt die Agrarreform 2014-2017 umsetzen, da könne man ihnen das versprochene Geld nicht im ersten Jahr schon kürzen. Kann ich teilweise nachvollziehen. Dumm ist nur, dass die Bauernvertreter dem allgemeinen Sparprogramm flott zugestimmt haben.

Humanitäre Hilfe: Die humanitäre Katastrophe rund um den Syrien/Nordirak-Konflikt löste verschiedene Vorstösse aus. Bundesrat Burkhalter bestätigte in der Fragestunde, dass die Schweiz die Hilfe vor Ort und in den Nachbarländern unterstütze und ihren Verpflichtungen im Welternährungsprogramm nachgekommen sei. Ein Nachtragskredit wurde in dieser Session bereits gesprochen, weiteres Geld wird dieses Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen. Der BR bekräftigt aber, dass er auch nächstes Jahr die Hilfe weiterverfolgen will. Es ist dringend notwendig und die Forderung ist gestellt, dass in diesem Bereich das Budget aufgestockt wird und nicht einfach von anderen Entwicklungsprojekten abgezweigt wird (Vorschlag Toni Brunner).

Geldwäschereigesetz: Unglaublich mit welcher Vehemenz die Vertreter der Finanzwirtschaft im Nationalrat auch in der 2. Runde noch für Schlupflöcher und Abschwächungen kämpften. Im Ringen um die Schwellenwerte für Bargeldzahlungen setzte sich schliesslich ein Kompromiss aus dem Ständerat durch: Will ein Händler Geschäfte über 100‘000.- mit Bargeld abwickeln, muss er aufwändige Abklärungen über die Herkunft des Geldes tätigen. Das ist notwendig, denn bei Köfferligeldzahlungen weiss niemand, aus welchen Quellen das Geld stammt. Mit noch lascheren Bestimmungen hätte die Schweiz einmal mehr riskiert, international auf der schwarzen Liste zu landen.

Energiewende: Die Debatte zur Energiewende dauerte rund 20 Stunden. Es geht um eine wichtige Weichenstellung für die künftige Energiepolitik. Schon zu Beginn des Geschäfts mussten Nichteintretens- und Rückweisungsanträge abgewehrt werden. Mit 108:81 Stimmen für die Rückweisung, alles Stimmen aus einer fast geschlossenen SVP und FDP, zeigte sich von Anfang an, dass die Abstimmungen kein Spaziergang würden. Immer wieder gab es sehr enge Resultate, denn v.a. auch bei der CVP bröckelte die Front. Die Linien konnten aber gehalten werden: Langfristig sollen die erneuerbaren Energien den Atomstrom ablösen. Dafür gibt es eine höhere Einspeisevergütung (KEV) für erneuerbaren Strom, finanziert mit einer Netzabgabe, die von heute 1.5 Rp./KWh auf 2.3 Rp. /KWh erhöht werden kann – ein weitere Dorn im Auge der Gegner. Der Bereich Natur- und Landschaftsschutz wurde geschwächt, was meiner Ansicht sehr bedauerlich und nicht notwendig gewesen wäre. Wegen Stromverschwendung dürfen nicht die letzten Gewässer angezapft und zerstört werden. Immerhin sollen die kleinsten Wasserkraftwerke nicht mehr gefördert werden. Zur Steigerung der Energieeffizienz kann der Bundesrat bei serienmässig hergestellten Anlagen und Geräten Vorschriften zum Verbrauch erlassen. Aus der CO2-Abgabe, die bereits heute auf fossilen Brennstoffen erhoben wird, wird 1/3 für die energetische Gebäudesanierung verwendet. Für Autos wurden neue CO2-Ausstossgrenzwerte festgesetzt. Alle diese Entscheide gingen knapp durch. Der Treibstoff und der Dreckstrom aus den Kohlekraftwerken bleibt aber weiterhin vor richtigen Lenkmassnahmen verschont. Das muss als nächstes an die Hand genommen werden. Insbesondere die Qualitätsvorschriften bzw. Strafabgaben bei Importstrom wird spätestens bei der Diskussion zur weiteren Strommarktöffnung wieder auf das Tapet gebracht werden müssen. Spannend wurde dann nochmals die Diskussion um die Laufzeit der AKWs. Der Antrag der SP, die drei alten AKWs Beznau l und ll sowie Mühleberg (Jahrgänge 1969 und 1971) höchstens 50 Jahre laufen zu lassen, fand ausser bei den Grünen und Grünliberalen kein Gehör. Die Mehrheit des Nationalrats – ohne die SVP und FDP – ist zwar für den Ausstieg aus der Atomenergie, will sich damit aber Zeit lassen. So soll es lediglich für die ältesten AKW eine Limite geben: Beznau I und II sollen nach 60 Jahren abgeschaltet werden (Mühleberg wird 2019 von der Axpo vom Netz genommen), die anderen können mit vom ENSI kontrollierten Sicherheitsauflagen die Betriebsdauer immer wieder um 10 Jahre verlängern. Neue AKWs wird es aber keine mehr geben und die Aufbereitung von abgebrannten Brennstäben wird ebenfalls verboten. Nach der Beratung der Energiewende wurde noch die Atomausstiegsinitiative der Grünen diskutiert. Sie verlangt, alle AKWs nach 45 Jahren Betriebsdauer abzuschalten. Sie hatte erwartungsgemäss keine Chance und wurde trotz Unterstützung von SP und GLP mit 120:71 Stimmen abgelehnt.

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Beitrag der Schweiz zu Gunsten von Kroatien: Dieser Erweiterungsbeitrag von 45 Millionen Franken zu Gunsten von Kroatien wurde bereits im März 2013 vom Bundesrat beschlossen. Durch konkrete Projekte hilft die Schweiz in den neuen EU-Ländern mit, die Lebenssituation vor Ort zu verbessern und mehr Sicherheit zu schaffen. Der Beitrag wurde nur von der SVP bekämpft. Roland Büchel warf der EU vor, immer mit den Muskeln zu spielen und beantragte, den Beitrag solange auszusetzen, bis sie mürbe wird bei der Personenfreizügigkeit. Statt der EU solle die Schweiz ihre Müskeli spielen lassen. Niemand ausserhalb der SVP glaubte an diese Wirkung und so bewilligte der Rat mit 132:53 und 6 Enthaltungen den Betrag, dagegen waren nur SVPler und ein CVPler.

Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV: Unsere Initiative wurde am 3. Montag am Ende des Sessionstags auf 19.00 Uhr traktandiert – sozusagen als Strafaufgabe oder Nachsitzen. Die Debatte dauerte dann bis 23 Uhr. Die SP-Initiative verlangt, dass der Nachlass, der 2 Millionen übersteigt, mit 20 Prozent besteuert wird und dieses Geld zu einem Drittel an die Kantone und zu zwei Dritteln an die AHV geht. Heute sind Ehegatten und direkte Nachkommen von der Erbschaftssteuer fast überall ganz befreit. Also auch die riesigen Vermögen – 1 % der SchweizerInnen besitzen mehr als die restlichen 99 % – bleiben unbesteuert. Das Vermögen konzentriert sich so immer mehr auf wenige Leute. Heute nehmen die Kantone eine knappe Milliarde Franken Erbschaftssteuern ein. Es sind dies meist Erbschaften von Tanten oder Onkeln sowie von Nahestehenden, aber nicht verwandten Personen. Bei diesen Erbschaften, ob gross oder klein, machen je nach Kanton die Steuern bis über 50 Prozent aus. Mit unserer Initiative werden nur noch Nachlässe von über 2 Millionen besteuert. Es wird mit einem Ertrag von rund 3 Milliarden jährlich gerechnet. Für Familienunternehmen und Bauernbetriebe bestehen grosszügige Ausnahmebestimmungen. Obwohl diese Steuer volkswirtschaftlich sinnvoll ist und die AHV damit auf eine breitere Basis gestellt wird, wurde die Initiative mit 135:60 Stimmen abgelehnt. SP, Grüne und die EVP stimmten geschlossen dafür. Im Juni wird die Abstimmung darüber stattfinden, ein gutes Thema, um mit den Leuten das Gespräch über gerechte Verteilung zu führen.

Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe: Auch die Initiative der CVP wurde diskutiert, natürlich zu regulären Sitzungszeiten. Die Initiative geht davon aus, dass Eheleute bei den Steuern und der AHV diskriminiert werden. Die Fakten zeigen, dass in einer Gesamtschau bei der AHV Ehepaare jährlich rund 800 Millionen Franken profitieren. Die CVP will in ihrer Initiative den Begriff „Ehe“ sehr eng fassen und gleichgeschlechtliche Paare ausschliessen. Zudem spricht sie von der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft, was eine Einführung der Individualsteuer per Verfassung verhindern würde. Die Initiative ist nach hinten statt nach vorwärts gerichtet. Deshalb bekämpften wir sie und unterstützten den Gegenvorschlag, der deutlich besser ist. Mit 102:86 Stimmen waren wir in Mehrheit (gegen CVP und SVP).

Menschenrechte: Vor 40 Jahren hat die Schweiz die Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert. Dieses Jubiläum war der Anlass, dass der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg, Dean Spielmann, vor dem Parlament eine Ansprache hielt. Ein „fremder Richter“ also. Wohl die Hälfte der SVPler verliess denn auch den Saal. Dean Spielmann lobte die Schweiz für ihre vorbildliche Rolle, die sie in Europa gespielt hätte, indem sie massgeblich geholfen habe, die EMRK-Mechanismen weiter zu entwickeln. Er wies auch darauf hin, dass die EMRK eine gemeinsame Wertehaltung ist, welche die Schweiz markant mitgeprägt habe. Die Rede war ein wichtiges Zeichen. Es wird in nächster Zeit unsere Aufgabe sein, die Bedeutung der EMRK in der Öffentlichkeit zu thematisieren und den Menschen in Erinnerung zu rufen. Es wäre zu spät, wenn eine SVP-Initiative gegen die EMRK zur Abstimmung bevor stünde, mit der Basisarbeit zu beginnen. Jean Spielmann erhielt stehenden Applaus, auch von den verbliebenen SVPlern.

 

Einige Vorstösse, die jeweils mit wenig Diskussion überwiesen oder abgeschmettert werden:

Haftpflicht: Einmal mehr hat die Versicherungslobby volle Arbeit geleistet: Der Ständerat, der Bundesrat und auch die vorberatende Nationalratskommission hatten sich für die Motion von SP-Ständerat Claude Janiak ausgesprochen, dass für die obligatorischen Haftpflichtversicherungen Regeln geschaffen werden, die allen geschädigten Personen dasselbe Schutzniveau garantieren. Im Plenum des Nationalrats ging die Vorlage dann regelrecht mit 117 zu 64 Stimmen unter. Nur noch links-grün hielt ihr die Stange.

Offenlegung von Zuwendungen an politische Akteure durch Unternehmen und Institute der öffentlichen Hand: Einmal mehr ging es um einen ersten Schritt zu mehr Transparenz. Die gesamte FDP und BDP, grosse Teile der SVP und die Hälfte der CVP lehnten das Vorhaben ab. Das Resultat fiel mit 86:92 Stimmen doch knapp aus. Das Thema ist jetzt zwar vom Tisch, bleibt aber aktuell.

Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz: Ein déjà-vue: Der Bund soll verschiedene Strassenabschnitte jetzt doch ins Nationalstrassennetz aufnehmen, obwohl das Volk die Vignettenerhöhung für den Unterhalt genau dieser Abschnitte abgelehnt hatte und somit auch ihre Übernahme durch den Bund. Mit 101:75 Stimmen wollen die Bürgerlichen (und auch einzelne SPler) die Strassen dem Bund ohne Zusatzfinanzen übergeben, nach dem Motto, für die Strassenlobby hat es immer irgendwo Geld.

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Gesetzesinitiative: Der Nationalrat hat eine parlamentarische Initiative abgelehnt, welche die Gesetzesinitiative auf Bundesebne einführen wollte. Damit müssten nicht Detailbestimmungen in der Verfassung verankert werden, die nicht dorthin gehören. Ein altes, linkes Anliegen, jetzt aber eingereicht aus den Reihen der FDP. Das half nichts. Der Vorstoss wurde zwar von SP und Grünen geschlossen unterstützt, ansonsten nur noch von 3 FDPlern.

 

Schöne Festtage: Ich wünsche Ihnen und euch allen schöne Festtage und viel Schwung im neuen Jahr. Es wird ein aufregendes und arbeitsreiches Wahljahr werden. Unterstützung in irgendeiner Form ist natürlich sehr willkommen. Für eine sozialere Schweiz, für alle statt für wenige.

Viele Grüsse

Claudia Friedl