Sessionsbrief Sommersession 2015

Asyldebatten, das Nähern des Endes des Bankgeheimnisses und eine Unmenge Detailgeschäfte


Liebe Leserin, lieber Leser

Die letzte Session der Legislatur ist vorbei. Sie war befrachtet mit vielen Diskussionen, Gesetzen und Ideen, wie wir unser Land entwickeln und gestalten wollen. Erst am letzten Tag brach es dann über uns herein: Das Abschiednehmen von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen – auch von Nationalratspräsident und Genosse Stephane Rossini. Er und wir wurden dann überrascht mit einem  singenden Flashmob, bei dem plötzlich die Fotografin, der Weibel, die Journalistin von ihren Plätzen aus zu singen begannen und sich als hervorragender Chor entpuppten.

In der politischen Arbeit geht es immer wieder darum, Lippenbekenntnisse in griffige Gesetze umzuwandeln. Beispielsweise die Aussage, dass mit unseren Regelungen im Finanzbereich einiges gegen Steuerflucht, Steuervermeidung und Korruption unternommen werden kann und dass damit insbesondere der Ausbeutung von armen Ländern entgegengewirkt werden kann. Doch die Realität ist die, dass die Bürgerlichen den Gesetzen die Zähne ziehen oder sie gleich ganz versenken. So auch in dieser Session.

Korruptionsstrafrecht: Der Ständerat hatte in der Sommersession das Gesetz abgeschwächt, indem die Privatbestechung in „leichten Fällen“ – was immer das heissen mag – nur auf Antrag erfolgen soll und nicht automatisch, wie der Bundesrat dies vorgeschlagen hatte. Damit wurde das Gesetz, die sogenannte Lex Fifa, gleich wieder aufgeweicht. Eine Mitte-rechts Mehrheit im Nationalrat bestätigte den Weg des Ständerats mit 100 zu 83 Stimmen. Die SVP wollte das Geschäft gar nicht behandeln, weil sie es für unnötig hält. Privatbestechung ist für sie immer noch ein Kavaliersdelikt.

Geldwäschereigesetz: Der Nationalrat hat in der letzten Runde zwischen Nationalrat und Ständerat beschlossen, sich gar nicht mehr mit der Vorlage zu beschäftigen. Mit 126:56 wollten nur wir und die Grünen das Geschäft weiterbehandeln und neue Sorgfaltspflichten für Banken einführen. Auch der Appell von Bundesrätin Widmer-Schlumpf, dass es dieses Gesetz braucht, um Löcher im Finanzgefüge zu stopfen, half nichts. Zu teuer für die Banken, war das gewichtigere Argument für die Mehrheit.

Bankgeheimnis – automatischer Informationsaustausch (AIA): Jetzt ist es soweit: Das Bankgeheimnis für ausländische Kunden hat ausgedient, der automatischen Informationsaustausch (AIA) kommt endgültig. Alle haben das eingesehen, mit mehr oder weniger Begeisterung, nur die SVP nicht. Sie lehnte das Gesetz ab und klammert sich weiter an diesen Mythos. Unerfreulicherweise gelang es einem CVP-Banker aus dem Tessin, noch eine Steueramnestie ins Gesetz zu drücken, mit Hilfe der Mitteparteien.

Initiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“ der Juso: Die Diskussion kreiste vor allem um die Frage, welchen Einfluss hat die Spekulation mit Nahrungsmitteln auf die Preisschwankungen, welche für die Ernährung der Menschen im Süden verheerende Folgen haben kann. Ich sage, wenn ein Einfluss nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, müssen wir handeln. Der Bundesrat hätte bereits jetzt die Möglichkeit gehabt, im Finanzmarktinfrastrukturgesetz mit der Einführung von Positionslimiten für Nahrungsmittelderivate  wirksame Regulierung einzuführen. Einmal mehr wird es nicht gemacht, weil man erst auf die anderen Länder warten will. Mit der Initiative kann in diese Richtung Druck ausgeübt werden. Sie wurde nur von SP und Grünen unterstützt (58:130 und 5 Enthaltungen).

Initiative „bedingungsloses Grundeinkommen“: Auch diese Initiative war mit 14:146 und 12 Enthaltungen chancenlos. Zustimmungen und Enthaltungen kamen von der SP und den Grünen. Ich selber habe mich der Stimme enthalten, was ich selten tue. Die Grundidee kann ich als Denkansatz unterstützen, die Ausgestaltung überzeugt aber gar nicht. Interessant wird nun die öffentliche Diskussionen über wirtschaftliche Sicherheit und Bedeutung von Arbeit sein.

Ergänzungsleistungen – Anrechenbare Mietzinsmaxima: Menschen, die auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, erhalten einen Zuschuss für die Miete. Seit der Festlegung der Mietzinsmaxima sind die Mieten bereits um 21 % gestiegen, ohne je angepasst worden zu sein. Im Kanton St. Gallen wurden die ausserordentlichen EL gestrichen auch mit dem Hinweis, dass der Bund im Gegenzug die Mietzinsabgeltung erhöhen werde. Die Kommission des NR hatte dies jedoch abgelehnt und das Geschäft in eine EL-Gesamtrevision aufnehmen wollen, womit natürlich noch sehr viel Zeit vergehen würde. SVP und FDP wollten das Geschäft  die lange Bank schieben, wurden aber mit 97:87 Stimmen zum Glück knapp überstimmt.

Revision Asylgesetz: Die SPS Medienmitteilung brachte es nach den Verhandlungen auf den Punkt: Es ist die erste Revision des Asylgesetzes, welche das Asylwesen verbessert und nicht verschärft. Das Hauptanliegen dabei ist die Beschleunigung der Verfahren, dazu gehört auch eine unentgeltliche Rechtsberatung der Asylsuchenden. Die SVP verhielt sich in der Debatte völlig destruktiv und präsentierte über 50 Anträge, die schon in der Kommission chancenlos waren. Es ging immer darum, dass die Schweiz die Grenzen schliessen und keine Flüchtlinge aufnehmen soll. Kein einziger dieser Änderungsanträge kam durch. Die Revision passierte in der Schlussabstimmung mit 138:55. Die SVP stimmte alleine dagegen. Sie hat bereits das Referendum dagegen angekündigt. Zur Diskussion kam auch noch die SVP- Motion, welche das Asylgesetz ein Jahr lang aussetzen will. Dieses menschenverachtende Vorgehen wurde von niemanden ausserhalb der SVP unterstützt. Die SVP liess nicht locker und verlangte ein dringliche Debatte über die Wiedereinführung der Grenzkontrollen und den Einsatz der Armee an der Grenze. Nur mit Stichentscheid des Präsidenten konnte dies abgewiesen werden. Die SVP unternimmt alles, damit es in der Schweiz zum „Asylchaos“ kommt, ihrem Wahlkampfschlager.

Menschenrechte: Der Angriff von rechtsaussen geht weiter. Die SVP kann es nicht lassen, gegen die europäische Menschenrechtskonvention zu schiessen. Ein eigentlich unbestrittenes Zusatzprotoll missbrauchte sie zur Grundsatzdebatte und stellte die Konvention einmal mehr in Frage. Die Rechtsaussen blieben damit aber mit 46:136 nein-Stimmen unter sich.

Nachrichtendienstgesetz: Das neue Nachrichtendienstgesetz wurde in der Schlussabstimmung mit 145:41 bei 8 Enthaltungen gut geheissen. Die Grünen stimmten geschlossen dagegen, die SP war weniger einheitlich: 23 Nein, 15 Ja und 6 enthielten sich. Ich habe dagegen gestimmt. Die Gesetzesvorlage ist zwar gegenüber dem Entwurf von Ueli Maurer vor allem was die Aufsicht betrifft, verbessert worden. Es bleibt aber die Tatsache, dass die präventiven Überwachungsmöglichkeiten von BürgerInnen mit Telefon abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen stark ausgebaut werden sollen.

Auch im Bereich Umwelt und Natur waren zahlreiche Geschäfte traktandiert. Ich muss aber feststellen, dass sich kaum jemand um diese Themen kümmert, ausser wenn es um Energie geht.

Waldgesetz und Gewässerschutz: Der Wald kommt zunehmend unter Druck, obwohl seine Fläche gesetzlich geschützt ist. Der Wald ist eine wichtige CO2-Senke, säubert die Luft und regelt den Grundwasserhaushalt. Weil es nirgends mehr sonst Platz hat, sollen nun Energieanlagen wie Windräder erleichtert darin erstellt werden dürfen. Was nach kleinen Schritten aussieht, könnte sich rasch auf zusätzliche Begehrlichkeiten ausweiten. Auch im Gewässerschutzgesetz wird nach Lockerungen gerufen. Die Raumausscheidung für Fliessgewässer ist noch nicht einmal umgesetzt, jetzt soll sie nach dem Willen des Parlaments bereits wieder aufgeweicht werden. Diese Bestimmungen sind aus einem Kompromiss mit den Fischern entstanden, die dafür ihre Initiative „lebendiges Wasser“ zurückgezogen hatten. Das ist die Leute (hier die Fischer) verschaukelt.

Raumplanung: Mit meinem Postulat wollte ich die Ungleichbehandlung beim Bauen ausserhalb der Bauzone aufdecken und eine Überprüfung der Umsetzung der Vorschriften anregen. Es ist offensichtlich, dass jeder Kanton, ja jede Gemeinde die bestehenden Vorschriften unterschiedlich umsetzt. Das gibt Rechtsverdrossenheit unter der Bevölkerung. Der Bundesrat war bereit, das Postulat zu übernehmen. Die Bürgerlichen, FDP, SVP, BDP und ¾ der CVP wiesen es aber mit 73:104 Stimmen zurück. Eigeninteressen gehen einmal mehr vor Allgemeininteressen wie dem besseren Schutz der Landschaft und des Kulturlandes.

Revision Umweltschutzgesetz – Grundlage für eine grüne Wirtschaft: Schon der Start in die Diskussion in der Sommersession war harzig. Nur mit Stichentscheid des Präsidenten hatte damals der Nationalrat beschlossen, überhaupt in die Diskussion einzusteigen. In der Debatte verschlechterte die bürgerliche Mehrheit die Vorlage stark, was sie aber nicht daran hinderte, sie am Schluss der Diskussion erst noch mit 95:92 zu versenken. Die Wirtschaft soll also auch in Zukunft nicht in die Pflicht genommen, wenn es darum geht, sich Ressourcen schonend und nachhaltig zu verhalten. Noch eine weitere Umweltsünde: Aufgrund einer überwiesenen Motion hatte der Bundesrat den Auftrag, Pistenfahrzeuge von der Mineralölsteuer zu befreien. Er schlug nun vor, nur jene Pistenfahrzeuge von der Steuer zu befreien, die über einen Partikelfilter verfügen. Die mitte-rechts Mehrheit fand dies aber nicht angebracht und rügte den Bundesrat, dass er den Auftrag mit umweltpolitischen Anliegen angereichert habe. Nur so viel zum Verständnis von vernetztem Denken.

 

Meine zwei ersten Jahre im Nationalrat sind nun vorbei. Es war eine äusserst spannende, lehrreiche Zeit. Ich hoffe sehr, im Dezember wieder in diesen Saal zurückkommen zu dürfen. Es warten noch viele Baustellen, die ich gerne mitgestalten möchte. Jetzt heisst es, auf die Strasse, ans Telefon und mit den Menschen sprechen und unsere Wählerschaft zu mobilisieren. Wir hatten in diesen zwei Jahren so oft sehr enge Abstimmungsverhältnisse. Mit einem Rechtsrutsch sähen viele Entscheide anders aus, zum klaren Nachteil eines Grossteils der Bevölkerung. Jede Unterstützung zählt, jede Stimme zählt. Besten Dank für jegliche Unterstützung.

Mit besten Grüssen und schöne Herbsttage

Claudia Friedl, Nationalrätin SP/SG