Sessionsbrief Frühlingssession 2016
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Die erste Session im 2016 ist Geschichte. Wir debattierten über vieles, von dem ich hier nur eine kleine Auswahl geben kann. Der rechte Block aus SVP, FDP und CVP ist klar erstarkt, vor allem in den Finanzfragen wird jetzt noch konsequenter zugunsten des Kapitals entschieden.
Energiestrategie 2050/Atomausstiegsinitiative/Energieeffizienzinitiative: Die in der alten Legislatur bestimmte Laufzeitbeschränkung von 60 Jahren für Atomkraftwerke fiel mit 131 zu 64 Stimmen aus der Energiestrategie heraus. Auch die Effizienzmassnahmen wurden gestrichen. Die Atomausstiegsinitiative der Grünen fiel in beiden Räten durch, unterstützt nur von Grünen und SP. Obwohl erst gerade publik geworden ist, dass es in Fessenheim in der Nähe zur Schweizer Grenze beinahe zu einem Supergau gekommen ist wegen einer Überschwemmung. Etwas, das auch in der Schweiz passieren könnte. Kommt noch hinzu, dass in der Schweiz mit Beznau der älteste Atomreaktor der Welt steht. Auch die Energieeffizienzinitiative fand keine Gnade und wurde 106:71 bachab geschickt, immerhin unterstützten sie einige MittevertreterInnen. Ebenfalls nichts wissen wollte der Nationalrat von einer Motion von Susanne Leutenegger Oberholzer, welche die schweizerische Nationalbank davon abhalten wollte, Anlagen in Konzerne zu tätigen, die fossile Energieträger wie Erdöl, Erdgas oder Kohle fördern. Da fragt man sich schon, wie ernst es die Bürgerlichen mit der Verlagerung auf erneuerbare Energien meinen.
Verkehr: Kaum ist die Abstimmung über die zweite Gotthardröhre Geschichte, geht’s los: Ein Postulat der FDP-Fraktion wird angenommen, dass eine Anpassung der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene verlangt, weil das heutige Ziel illusorisch sei. Anstatt Massnahmen zu ergreifen, wird das Ziel hinausgeschoben. Ein schlechtes Ohmen für den Gotthard mit seinen 2 Spuren und 2 Pannenstreifen……
Höckerschwan, Wolf und Co: Immer wieder interessant sind die Diskussionen im Ständerat. Da wird wirklich noch diskutiert. Roberto Zanetti (SO/SP) argumentierte so gut, dass die Walliser mit ihrer Wolfsausrottungsmotion untergingen. Beim Schwan gab es aber kein Pardon, dieser darf nun auch reguliert werden, die SP wollte diese Öffnung nicht, war aber weit in der Minderheit.
Landwirtschaft: Wieder einmal durchgesetzt haben sich die Bauern. Der Nationalrat empfiehlt ihre Initiative zur Ernährungssicherheit zur Annahme, obwohl alles schon in der Verfassung steht und mit der Agrarpolitik 2014-2017 bereits umgesetzt wird. Die Argumente waren wüst und der Eindruck verhärtete sich, dass es nur um Produktionsförderung (auf Kosten der Natur) und noch mehr Subventionen geht. Diejenigen, welche zuvor für die Initiative waren, lehnten dafür anschliessend ein Verbot von gesundheitsgefährdenden Pestiziden ab. Der Gipfel des Zockens wurde erreicht, als eine Motion von Toni Brunner angenommen wurde, die verlangt, dass die Soldaten nur noch frische Milch bekommen. Schweiz, was hast du für Probleme!
Gesellschaftspolitisches: In diesen Themen spannen oft die SVP und CVP zusammen. Nach dem Nein zur CVP-Ehebesteuerungs-Initiative stimmte der Nationalrat überraschenderweise mit 92:88 (6E.) einer Motion zu, die die Individualbesteuerung verlangt! Dagegen stemmten sich die SVP und die CVP. Auch die Einführung eines „Pacte civil de solidarité“, eine Art „Ehe light“ fand gegen SVP und CVP mit 96:83 (7E.) eine Mehrheit und soll nun ausgearbeitet werden. In die gleiche Kategorie fällt die erleichterte Einbürgerung für gleichgeschlechtliche Partner in eingetragenen Partnerschaften. Diese Entscheidung fiel sogar mit 122:62 (8E.) deutlich gegen die SVP aus. Ein ganz anderes Thema betrifft das völlig überflüssige Gesetz, welches die bürgerlichen Parteien durchgedrückt haben: Der Bund macht den Kantonen Vorschriften zu den Ladenöffnungszeiten. Die sogenannten Föderalismusparteien machten sich stark, um gegen den Volkswillen in den Kantonen vorzugehen. Da kann nur noch der Ständerat helfen.
Asyl und Ausland: Hier haben die beiden Räte mehrheitlich positive Entscheidungen gefällt. So sollen Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Zustimmung war breit, nur die SVP reflexartig dagegen. Sie hat kein Interesse Probleme zu lösen, sondern bewirtschaftet sie lieber. Der Nationalrat hat sich auch für mehr Hilfe vor Ort für die Vertriebenen aus Syrien und den Flüchtlingen in den Nachbarländern ausgesprochen, natürlich ohne SVP. Das Problem hier ist einfach, dass das Geld kostet, welches die Bürgerlichen in der Entwicklungshilfe aber kräftig kürzen wollen. Alleine stand die SVP auch mit ihrer Motion, die Antirassismus-Strafnorm abzuschaffen. Verschiedene Vorstösse von unserer Seite, die der Bundesrat eigentlich entgegen nehmen wollte (und vor allem, wenn dies ein SP-Bundesrat/rätin tun will), wurden bekämpft und dann abgelehnt. So etwa das Postulat „Förderung der Kultur der Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz“ (von Barbara) oder „Schulisches Scheitern frühzeitig vermeiden“. Immer mit starker Hilfe der CVP.
Europa: Fehlbare Arbeitgeber, die ausländische Arbeitskräfte nicht ordnungsgemäss anstellen, sollen härter bestraft werden. Der Nationalrat hat einer Erhöhung der Busse von 5000 auf 30‘000 Franken zugestimmt. Ein Zwängerei gab es um das Beitrittsgesuch der Schweiz zur EU aus dem Jahre 1992. Die Bürgerlichen beschlossen, das Gesuch zurückzuziehen. Obwohl das Beitrittsgesuch nach dem EWR-Nein bereits wirkungslos geworden war – es wurde ein totes Pferd erschossen. Gleichzeitig lehnte der Rat das Postulat unserer Fraktion ab, welches einen Bericht über mögliche Szenarien für die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU forderte, alle Optionen bis hin zum Beitritt, obwohl der Bundesrat bereit gewesen wäre, es entgegen zunehmen.
40 Jahre EMRK-Beitritt der Schweiz: In einem Bericht erinnerte der Bundesrat an diesen wichtigen Moment. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist das wichtigste Mittel gegen die staatliche Willkür. Sie schützt jede und jeden vor den Übergriffen des Staates. Alle haben dies anerkannt, nur die SVP stellte die Frage, was die EMRK heute noch nütze und was hätte das heutige Geschehen mit dem 2. Weltkrieg zu tun (die EMRK wurde als Antwort auf die Greuel im 2. Weltkrieg geschaffen). Gut möglich, dass irgendwann noch eine Initiative dagegen lanciert wird.
USR lll: Die Schweiz ist international verpflichtet, die Steuerprivilegien von Holdinggesellschaften aufzuheben. Damit die Unternehmen in der Schweiz bleiben, werden nun die Steuern für alle gesenkt, massiv gesenkt. Es ist ein Steuerabzugsfestival der Bürgerlichen geworden. Damit werden Ausfälle von 1.5 Mia. Fr. für die Bundeskasse und etwa 500 Mio. für Kanton und Gemeinden generiert. Genau weiss man es noch nicht. Da werden Erinnerungen wach an die von BR Merz angezettelte USR ll, die riesige, unvorhergesehene Löcher in die Bundeskasse riss. Die SP verlangte eine Gegenfinanzierung durch die Unternehmen, doch alle Vorschläge, wie die Kapitalgewinnsteuer oder die Vollbesteuerung von Dividenden wurden abgelehnt. So zahlen die SteuerzahlerInnen den Ausfall. Die Bürgerlichen haben sich in allen Punkten durchgesetzt und die Vorlage mit 138:52 gutgeheissen. Jetzt muss einfach der Ständerat korrigieren. Es zeichnet sich bereits ein Referendum ab.
BÜPF: Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ist nun durchberaten. Das BÜPF regelt, wie in Strafverfolgungen auf elektronische Daten von verdächtigten Straftätern zugegriffen werden darf. Wir in der SP waren immer gespalten, haben aber signalisiert, dass wir nach Verbesserungen ev. zustimmen werden. Am Schluss gab es nur einzelne Nein-Stimmen oder Enthaltungen aus der SP. Ich habe in der Schlussabwägung ebenfalls zugestimmt. Wenn man die Überwachung zur Klärung von Straftaten zulassen und regeln will, gibt es wahrscheinlich nicht viel besseres. Das Nachrichtendienstgesetz, welches prophylaktisch bei jedem schnüffeln darf, habe ich früher schon abgelehnt.
Jetzt wünsche ich allen schöne Ostertage!
Claudia Friedl