Votum Wiedergutmachung
Kann man erzeugtes Leid, das ein Leben lang nachwirkt, mit Geld wieder gut machen? Sie werden sagen: „Natürlich nicht!“. Nein, eine Wiedergutmachung kann nicht einfach nur über Geld geschehen, es braucht dazu Aktenzugang, Aufarbeitung, Anerkennung, und Vermeidung neuen Leides.
Was wie Geschichten aus grauer Vorzeit erscheint, ist eine Realität, die noch zu Lebzeiten von vielen von uns stattgefunden hat. Dass in der Schweiz weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus sogenannte fürsorgerische Zwangsmassnahmen, Zwangssterilisationen oder Fremdplatzierungen und Kinderzwangsarbeit durchgeführt worden sind, ist schwer zu akzeptieren.
Jugendliche und Erwachsene aus sozial schwachen Kreisen wurden ohne Gerichtsurteil administrativ weggesperrt und medizinisch zwangsbehandelt. Alles was nicht in die Gesellschaft, wurde weggesperrt oder umerzogen. Die betroffenen Kinder hatten nichts verbrochen, sie hatten oft nur das Schicksal arme oder jugendliche oder keine leiblichen Eltern zu haben. Es ist endlich Zeit, Licht in dieses Dunkel zu bringen.
Viele der Überlebenden leiden noch heute massiv an der Vergangenheit, seelisch und oder körperlich. Die Aufarbeitung dieser dunklen Aspekte in unserer nahen Vergangenheit ist enorm wichtig, nicht nur für die Betroffenen, nein, auch für uns als Gesellschaft.
Der Wiedergutmachungsinitiative ist es zu verdanken, dass das Thema überhaupt in die breite Öffentlichkeit fand. Schon länger waren Schicksale einzelner Menschen bekannt. Ich erinnere mich an Arthur Honegger, ein Kantonsratskollege von mir in St. Gallen, der seine Erlebnisse als Verdingbub in aufrüttelnden Büchern wie „Gestohlene Seelen“, „Die Fertigmacher“ oder „Bernis Welt“ niedergeschrieben hat. Einer der wenigen, die es fertig brachten über ihr schweres Schicksal zu schreiben.
Mit der Wiedergutmachungsinitiative sind nun immer mehr Schicksale von Betroffenen bekannt worden, ja es konnte erst damit die Dimension dieses Unrechts aufgezeigt werden. Es ist nun höchste Zeit, an die Wiedergutmachung zu gehen. Es braucht eine Aufarbeitung, die Archive müssen für die Betroffen einfach zugänglich gemacht werden, die Aktenvernichtung muss gestoppt werden. Das Material muss wissenschaftlich aufgearbeitet werden, damit die Wahrheit offen wird und die Betroffenen Genugtuung erhalten. Aber auch damit sich eine solche Geschichte nicht nochmals wiederholt.
Und jetzt komme ich wieder zurück zum Geld. Die finanzielle Entschädigung macht kein Leiden ungeschehen. Es ist aber ein Zeichen an die Menschen, die ein Leben lang unter dem Erlebten gelitten haben. Viele von ihnen leben in armen Verhältnissen, eine finanzielle Genugtuung ist da sehr angemessen. Ich unterstütze das Vorgehen im indirekten Gegenvorschlag, wo alle Betroffenen den gleichen Betrag erhalten. Der Rahmen soll 25‘000 Franken sein. Dafür braucht es mindestens den vorgesehen Bundesbetrag von 300 Millionen. Der Betrag darf jetzt nicht noch gedrückt werden kann, das wäre ein Affront gegenüber den Betroffenen und ihrem Schicksal. Ich unterstütze den Gegenvorschlag auch deshalb, weil er rasch in Kraft treten kann und damit auch älteren Betroffenen jetzt geholfen werden kann und nicht erst irgendwann in ein paar Jahren. Sollte das Gesetz im Parlament scheitern oder abgeschwächt werden, werde ich mich dezidiert für die Initiative einsetzen. Ich bitte Sie unterstützen Sie den Antrag der Vorbereitenden Kommission.