Sessionsbrief Sommersession 2016

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Obwohl der Sommer noch gar nicht so richtig gekommen ist, liegt die Sommersession bereits hinter uns. In diesem Bericht gebe ich einen Überblick über die wichtigsten Themen und Entscheidungen, welche uns im Parlament beschäftigt haben.

 

Stiefkindadoption für homosexuelle Paare: Gleich am ersten Tag kam es zu einem erfreulichen Resultat. Der Nationalrat stimmte als Zweitrat einer generellen Stiefkindadoption zu, welche unabhängige vom Zivilstand und der sexuellen Orientierung gelten soll. Nur die SVP und ein Drittel der CVP votierte dagegen. Das letzte Wort haben aber womöglich die StimmbürgerInnen: VertreterInnen aus SVP, CVP und EDU haben angekündigt, gegen die Gesetzesänderung das Referendum zu ergreifen.

 

Steuerinformationsaustausch: Auch am zweiten Sessionstag kam es zu einem erfreuliche Resultat. Nach dem Ständerat hat nun auch der Nationalrat dem Abkommen mit der EU zum automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen deutlich zugestimmt. Dadurch können EU Bürger in der Schweiz nicht mehr Geld vor ihrem Fiskus verstecken, ein von der SP seit langem verfolgtes Ziel ist damit erreicht.

 

Flüchtlingskonvention: Ebenfalls erfreulich war, dass der Nationalrat einen Vorstoss von Luzi Stamm deutlich abgelehnt hat, welcher die Flüchtlingskonvention in der Schweiz stark einschränken wollte. Dies indem Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge keinen Anspruch mehr auf ein Aufenthalts- oder Bleiberecht hätten. Man könnte sie auch in einem Flüchtlingszentrum in einem Drittstaat zuweisen. Natürlich soll auch die Nothilfe an Personen, deren Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz abgelaufen ist, gestrichen werden. Alles, um unattraktiv zu sein und die Flüchtlinge abschieben zu können. Dieser Politik folgte aber nur die SVP.

 

Entwicklungszusammenarbeit: Die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit wurden heiss diskutiert. Unter führung der CVP wurde ein Frontalangriff auf die Politik von BR Burkhalter gefahren. Die ganze Botschaft, 450 Seiten, sollten zur Überarbeitung zurückgewiesen werden und die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt auf Nothilfe ausgelegt werden und Unterstützung von Ländern an migrationspolitische Bedingungen geknüpft werden. Gratis soll es nichts mehr geben. Diese Rückweisung konnte abgebloggt werden, einige Konzessionen mussten dann aber eingegangen werden. Bei den Finanzen ist es noch einmal glimpflich ausgegangen. Der Antrag der Finanzkommission, eine Reduktion des Betrags von 0.5% auf 0.4 % des Bruttonationaleinkommens, wurde fast nur von der SVP unterstützt. Hingegen nur knapp scheiterte ein Kürzungsvorschlag der FDP, welcher den Beitrag auf 0.45 % senken wollte. Mit 98 zu 93 Stimmen folgte der Nationalrat dann doch noch dem Vorschlag des Bundesrates und der Aussenpolitischen Kommission die Entwicklungsgelder bei 0.48% des BNE anzusetzen. Das gelang nur, weil 3 FDPler gegen ihre Fraktion stimmten. Fast durchgekommen ist die SVP mit einem Vorschlag, die Gelder an migrationspolitische Zusammenarbeit zu knüpfen. Auch dieser Antrag wurde äusserst knapp mit 97 zu 93 Stimmen versenkt. Keine Chance hatte leider unser Antrag, die Gelder schrittweise auf 0.7% zu erhöhen, wie es als Ziel von der UNO definiert wurde.

 

Kroatien: Kroatien ist nicht nur als Teilnehmer an der Fussballeuropameisterschaft ein Thema sondern hat auch die beiden Räte beschäftigt. Der Ständerat hat beschlossen, dass der Bundesrat das Kroatien-Protokoll[1] erst ratifizieren darf, wenn eine verfassungskonforme Lösung zur Steuerung der Zuwanderung mit der EU gefunden wurde. Dieser Entscheid gefährdet die Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU im Bereich der Forschung und könnte zu einem richtigen Krimi werden. Denn die Schweiz darf beim Forschungsprogramm Horizon 2020 nur mitmachen, wenn sie bis am 9. Februar nächsten Jahres das Protokoll ratifiziert hat. Der Nationalrat war gegen eine Verknüpfung des Kroatien-Protokolls mit der Beschränkung der Zuwanderung. Nach langem hin und her setzte sich der Ständerat durch. Was für Auswirkungen es auf die Forschung hat, wird sich noch zeigen. Die explitzit erwähnte Verknüpfung im Entscheid ist aber eher rhetorischer Natur, denn auch der Bundesrat hat schon in der Botschaft geschrieben, dass er nur ratifizieren wird, wenn eine Lösung da ist. Ohnehin: Wenn die Personenfreizügigkeit fällt, fällt auch das Forschungsabkommen. Eines ist klar: Jetzt muss eine Lösung für die Zuwanderungsregelung rasch auf den Tisch.

 

USR lll: Bis am Schluss kämpfte die SP für eine Gegenfinanzierung bei der Unternehmenssteuerreform III. Bis am Schluss setzte sie sich für die Streichung eines Absatzes ein, der die Entlastung der Dividendenbesteuerung für Grossaktionäre beinhaltet. Wir blieben jedoch chancenlos, denn nur SP und Grüne stimmten geschlossen für die Streichung, aus anderen Parteien kamen nur vereinzelte unterstützende Stimmen. Die SP wird das Referendum ergreifen, da die Reform ein Loch von über 2,5 Milliarden Franken in die Bundeskasse reissen wird. Wir wären sogar bereit gewesen, einen Verlust von etwa einer halben Milliarde zugunsten der Standortattraktivität hinzunehmen, aber das vorliegende Resultat ist ein Affront gegen die Bestrebungen von mehr Steuergerechtigkeit.

 

Ladenöffnungszeiten: Anders als der Nationalrat will der Ständerat den Kantonen nicht vorschreiben, wie lange sie die Ladenöffnungszeiten festzusetzen haben. Neben der SP und Grüne waren auch Vertreter der CVP und FDP im Ständerat gegen dieses Gesetz. Somit ist ein unnützes Gesetz vom Tisch. Denn schon mehrmals haben wir im Kanton St. Gallen das Referendum gegen die Verlängerung der Landeöffnungszeiten ergriffen – und immer gewonnen.

 

Gesundheitsberufe: Nun hat auch der Nationalrat einer Vereinheitlichung der Ausbildung für Berufe der medizinischen Grundversorgung zugestimmt. Keine Chance hatte hingegen die Erweiterung der Liste der Berufe um die Pflege auf Masterstufe und die medizinische-technische Radiologie. Ebenfalls ablehnt wurde der Kredit, um das neue Gesetz anzuwenden. So gibt es zwar ein neues Gesetz, aber ohne Geld. Viel heisse Luft – aber kaum einen Nutzen.

 

Pflanzenschutzmittel: Schneider-Ammann wollte nicht. Er wollte keine Untersuchung zu Glyphosatrückständen in Lebensmitteln und Futter durchführen, obwohl das Mittel im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Glyphosat ist der weit verbreitetste Wirkstoff in der Schweiz zur Unkrautvertilgung. Der Nationalrat entschied nun aber gegen den Widerstand einer Mehrheit der SVP und FDP, dass eine Untersuchung durchgeführt werden muss.

 

Mietrecht: Auch weiterhin müssen VermieterInnen bei einem Mieterwechsel nicht den Mietzins des Vormieters mitteilen. Dies hätte zu mehr Transparenz im Wohnungsmarkt geführt und eine dämpfende Wirkung auf die Mietzinsen gehabt. Klar eine verpasste Chance etwas für die MieterInnen zu tun, aber nur die Linken und Grünen haben das Anliegen unterstützt.

 

Bildung: Der Nationalrat will die Bildung weniger stark aufstocken als die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Die Bildungsausgaben hätte um 3.2% jährlich wachsen sollen. Der Nationalrat drosselte das Ausgabewachstum auf 2%. Für ein Aufstocken waren SP, Grüne, GLP und BDP, da die Bildung für die Zukunft der Schweiz enorm wichtig ist. Aber in der Schweiz machen wir nur noch Politik über das Budget. Ob etwas notwendig ist, z.B. eine Aufstockung in der Berufsbildung oder bei den Medizinern, spielt keine Rolle.

 

Erleichterte Einbürgerung: Bei der Einbürgerung hat das Parlament einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan. Ausländerinnen und Ausländer der dritten (!) Generation sollen sich leichter (!) einbürgern können. Also weit weg von Extremen. Und dennoch brachte es die SVP nicht über sich, dieser Erleichterung zuzustimmen. Das letzte Wort wird das Stimmvolk haben, welche über alle Verfassungsänderungen entscheiden darf.

 

Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds: Der Nationalrat hat dem neuen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) zugestimmt. Finanziert werden soll der Fond durch Geld aus der Bundeskasse und einer Erhöhung des Benzinpreises um vier Rappen pro Liter. Leider nur vier Rappen, denn nun muss viel Geld aus der Bundeskasse verwendet werden, dass ohnehin schon knapp ist. Mit gerade mal 12-15 Rappen pro Liter wäre die Erhöhung des NAF ohne zusätzliche Beiträge aus der Bundeskasse ausgekommen.

 

Transparenz im Parlament: Wir mussten über mehrere Vorstösse zum Thema Transparenz bei ParlamentarierInnen abstimmen. Leider wurden alle abgelehnt. So hat das Parlament Vorstösse im Bereich der Offenlegungspflicht von Einkünften aus den Interessenbindungen, aber auch Vorstösse, welche Spendenbeträge ab 5000 CHF der Öffentlichkeit unterstellt hätten, abgelehnt. Geschlossen gegen mehr Transparenz sträubten sich die FDP und eine Mehrheit der SVP und CVP. Damit hat das Parlament einmal mehr eine Chance verpasst, für mehr Transparenz in der Demokratie zu sorgen. Mit der derzeitig laufenden Transparenzinitiative wollen SP, Grüne, BDP, EVP und Piraten nun mit Hilfe des Volkes mehr Transparenz bei der Parteifinanzierung erreichen.

 

Die Sessionstage sind rasch vergangen. Das kommt auch daher, dass wir fast jeden Mittag und Abend einen Anlass haben, fachliche oder gesellige. Dann sind immer auch viele Sitzungen zu bewältigen und für die neuen Vorstösse Unterschriften zu sammeln. Die Links dazu finden sich auf meiner Homepage.

Jetzt wünsche ich allen einen schönen Sommer!

Claudia Friedl

[1] Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien.