Globalisierung: Chance oder Risiko?

Referat an der Fachhochschule Rapperswil am 24.11.2016

Die Globalisierung hat uns einiges gebracht. Denken Sie an die Nahrungsmittelauswahl, das weltweite Reisen und Arbeiten und tieferen Konsumentenpreisen, von denen wir profitieren. Es ist nicht falsch zu sagen, dass sie zu einem weltweiten Wohlstandszuwachs geführt hat. Dies zeigt die Auswertung der MDGs, der Millennium development goals, welche belegt, dass die Zahl der in extremer Armut lebender Menschen zwischen 1990 und 2015 um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist, vor allem in den Schwellenländern.

Das ist die positive Nachricht zur Globalisierung.

Die Schweiz als kleine, offene Volkswirtschaft ist auf den wirtschaftlichen Austausch angewiesen. Mit einem jährlichen Warenexport von rund 200 Mia. Franken und einem Dienstleistungsexport von rund 85 Mia. Franken werden auch in der Schweiz Arbeitsplätze geschaffen und Wertschöpfung erbracht. Vor allem der Dienstleistungsexport, dazu gehört neben Versicherungen, Banken oder Logistik auch ihre Branche, das Engineering, nimmt immer noch stark zu. Man würde als meinen, alle profitieren – und doch läuft etwas schief.

Die Wirtschaft setzt auf ungehinderte Globalisierung: schrankenlos, profitorientiert. Eine Diktatur der freien Märkte, die nur durch den Wettbewerb geregelt sein soll. Da sind dann auch unglaubliche Gewinne möglich. Diese Gewinne haben sich aber nicht auf alle Beteiligten verteilt, sondern sind in den obersten 1-2 Prozenten der Bevölkerung hängen geblieben.

In den Industrieländern kommen in der Gesellschaft und Politik daher immer kritischere Töne auf. Eine Enttäuschungmacht sich breit. Grosse Teile der Bevölkerung sind verunsichert. Immer mehr Leute sehen sich als Verliererin oder Verlierer. Sie sind einem starken Lohndruck ausgesetzt, es belasten sie steigende Gebühren und Abgaben, hohe Mieten und Gesundheitskosten oder die Umweltzerstörung in ihrer Umgebung. Viele haben ihren Job verloren.

Da ist der Vorteil, dass sie von tiefen Konsumentenpreisen profitieren können ein schwacher Trost. Aus dieser Stimmung des „Vergessen worden zu sein“ punkten dann Vorlagen wie Masseneinwanderungsinitiative, Brexit oder ein Trump. Oder wenn die Nachricht kommt, die Armeestiefel unserer Soldaten werden in Rumänien mit einem Stundenlohn von 2.- Fr. produziert. Da weiss jeder, da kann man nie mehr mithalten, dieser Arbeitsplatz kommt nie mehr zurück.

Abschottung und Protektionismus erhalten in einem solchen Klima Oberwasser, und das ist das, was jetzt rundherum geschieht. Sprüche wie „America first“ funktionieren da gut. Obwohl, wenn wir den Rostgürtel in der östlichen USA betrachten, wo hunderttausende gut bezahlte Jobs verloren gingen, muss man feststellen, dass von 5 verschwundenen Jobs, 4 der Automatisation und Digitalisierung zum Opfer gefallen sind und nur einer nach Mexiko oder China abgewandert ist. Das haben uns wenigstens die Leute vom WEF in Genf gesagt, wo ich diese Woche zu Gast war.

Es ist ein Fakt, dass die 4. industrielle Revolution, wie der WEF-Gründer Klaus Schwab es nennt, die Arbeitswelt nochmals massiv verändern wird. Für mich ist klar, dass dies die grösste Herausforderung überhaupt werden wird. Stellen Sie sich vor, in den nächsten 15 Jahren wird es weltweit 600 Millionen Arbeitsplätze brauchen für all die jungen Leute, die ins Erwerbsalter kommen.

Aber zurück zur Globalisierung. Das grosse Versprechen, die Globalisierung ist gut für alle, hat sich nicht bewahrheitet. Profitiert hat vor allem eine kleine Schicht. Auch in der reichen Schweiz besitzen die obersten 2 Prozent der Bevölkerung mehr, als alle anderen zusammen. Und dieser Trend ist ungebrochen.

Zurzeit drängt die Wirtschaft rund um den Globus auf neue, grosse Globalisierungsprojekte. Es sind dies:

  • TTP (Transpazifische Partnerschaft), USA- pazifische Staaten ohne China,
  • CETA Handelsabkommen zwischen EU und Kanada
  • TTIP (Transatlantic trade investment partnership) EU-USA bilateral, oder das
  • TISA Dienstleistungsabkommen (Trade in service agreement, 49 Staaten, plurilateral), das einzige, wo die Schweiz dabei ist.

Alle kommen sie ins Wanken.

Die Bevölkerung glaubt nicht mehr einfach so daran, dass es zu ihrem Wohl ist, wenn nur der Markt zählt. So wie die Abkommen aufgegleist werden, durch Ausschluss der Öffentlichkeit aber Mitbeteiligung der Wirtschaft bei den Verhandlungen, mit möglichen Knebelverträgen, die eine künftige, nationale Regulation verhindern oder mit der Gefahr der Unterwanderung der nationalen Gesetze, Standards und Gerichte – da fehlt klar das Vertrauen.

Diesem negativen Trend kann nur entgegengewirkt werden, wenn die Früchte der Globalisierung gerechter verteilt werden, wenn der damit einhergehender Strukturwandel sozialverträglich ausgestaltet wird. Dazu gehören:

  • Schutz am Arbeitsplatz, Schutz vor Lohndumping
  • Errichten und Einhalten von sozialen und ökologischen Standards, Arbeitsrechten und Menschenrechten
  • Gerechter Welthandel, Bekämpfung von Korruption, Steuerflucht und Gewinnoptimierung

Dazu gibt es verschiedene internationale Ansätze der UNO und ihrer Unterorganisationen. Zudem legt auch die Zivilgesellschaft gute Konzepte vor, die eine gerechtere Verteilung der Globalisierungsgewinne bringen würden. Aber leider werden diese bei weitem nicht immer aufgenommen.

Wichtig ist, dass nicht nur die Märkte global vernetzt werden, sondern auch die Verantwortung für die Menschen und die Umwelt. Dazu gibt es beispielsweise die Agenda 2030 mit ihren 17 global anwendbaren Nachhaltigkeitszielen oder die /strong>internationale Klimapolitik. Gerade die Forschung und Entwicklung – wie sie auch hier an dieser Hochschule betrieben werden – können Treiber für die Nachhaltige Entwicklung sein und eine globale Vernetzung bewirken, die weniger Verlierer hinterlässt als eine rein auf den Markt ausgerichtete Globalisierung.

Nur wenn Globalisierung in dieser Breite stattfindet, d.h. sozial- und umweltverträglich, kann sie positive Wirkung entfalten und gegen Abschottung, Protektionismus und Nationalismus bestehen.