Sessionsbrief Wintersession 2016

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Die Weihnachtszeit rückt näher. Heute haben wir die Wintersession beendet. Dabei wurde mehr als nur über das Budget diskutiert, sondern auch ein wichtiges Europadossier konnte abgeschlossen werden.

Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative

Verfassungsbrecher -Verbrecher – Volksverräter – Volksvertreter: das waren die markigen Worte, die selbst noch bei der Schlusswürdigung am letzten Sessionstag zur Vorlage über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ausgeteilt wurden. Die SVP tobte nochmals und stimmte geschlossen dagegen. Die CVP enthielt sich der Stimme. Sie hatte in der ganzen Debatte eine unglückliche Figur abgegeben, so richtig verstanden, was sie wollte, hatte eigentlich niemand. Alle anderen Parteien stimmten zu und die Vorlage ging mit 98:67 und 33 Enthaltungen durch. Es war ein harter Brocken für uns VolksvertreterInnen, den in sich widersprüchlichen Verfassungsartikel umzusetzen. Mit der jetzigen Version bleiben die Bilateralen erhalten, was für die Schweizer Wirtschaft und Bildungslandschaft zentral ist. Es gibt künftig aber auch einen Inländervorrang, der die Stellung der inländischen Arbeitslosen gegenüber Interessenten aus dem Ausland verbessern soll, also ein Arbeitslosenvorrang. Arbeitslose bekommen zuerst Zugriff auf Stelleninserate und die RAVs schlagen den Firmen geeignete gemeldete Personen vor. Wenn die Wirtschaft mitmacht und ihre Verantwortung übernimmt, dann wird der Artikel durchaus Wirkung haben. Das Gesetz ist aber nur ein Teil der Umsetzung von Verfassungsartikel 121a. Es gehört auch die Vorlage „Integration“ dazu. Dort wird unter anderem geregelt, dass vorläufig Aufgenommene neu ohne Bewilligung arbeiten dürfen. Es werden auch die Bedingungen für den Familiennachzug neu, und teilweise strenger, geregelt. Die SVP lehnte dennoch auch diese Integrationsvorlage ab. Es ist klar, sie will lieber Probleme bewirtschaften statt lösen. Der Bundesrat hat gleich nach der Schlussabstimmung des Nationalrats entschieden, das Kroatienabkommen zu ratifizieren und hat damit die Teilnahme der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon 2020 ab dem 1. Januar 2017 gesichert. Ein Entscheid, der wegen seiner Schnelle von SVPSeite natürlich wieder heftig kritisiert wurde. Die nächste Knacknuss in diesem schwierigen Dossier wird die Abstimmung zur Rasa-Initiative, bzw. zu einem Gegenvorschlag dazu, sein.

Ältere Arbeitnehmende

Ältere Arbeitnehmende haben es bei einem Stellenverlust oft schwer wieder eine Stelle zu finden. Dies wird zunehmend auch von den Bürgerlichen erkannt, nur Massnahmen dagegen wollen sie keine ergreifen. Die SP hat deshalb ein ganzes Vorstosspaket eingereicht, welches Massnahmen fordert wie besseren Schutz vor Entlassung, mehr Möglichkeiten für Weiterbildung und Umschulung, die Einführung einer Überbrückungsrente sowie einen Solidaritätsbeitrag zur Finanzierung dieser Massnahmen.

Budget 2017 und Stabilisierungsprogramm

Stabilisierungsprogramm tönt gut, ist aber nichts anderes als ein Sparprogramm für die kommenden Jahre. Für uns waren viele No-Gos darunter, wir hatten aber keinen Stich gegen die bürgerliche Sparallianz, die sich von SVP bis CVP hinzog. Im Budget 2017 wurde es dann konkret. Ohne die Verantwortung zu übernehmen, wo gespart werden soll, entschied der Nationalrat Querbeetkürzungen von 128 Millionen, was zu Stellenkürzungen im Umfang von 370 Stellen und eine Reduktion von Sachausgaben um 50 Millionen führt. Äusserst knapp konnte die spezifische, drastische Kürzung beim Gleichstellungsbüro um einen Viertel abgewehrt werden. Das Herumeiern von Ueli Maurer bezüglich der Zollstellen ging für die Ostschweiz zwar gut aus (die Zollstellen werden momentan nicht geschlossen), aber in Anbetracht der massiven Querbeetkürzungen bereitet dies nur eine gedämpfte Freude. Finanziell noch besser ausgestattet als vom Bundesrat vorgeschlagen, wurden hingegen Militär, die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelkonzerne wie Nestle über das Schoggigesetz und, auch in unserem Sinn, die Bildung. Nach der ersten Runde bei uns im Nationalrat war klar: das ist nicht unser Budget, deshalb lehnten wir es ab. Da die SVP dies ebenfalls tat, mit gegensätzlichen Forderungen, war das Budget versenkt und der Ständerat startete erneut. In der 2. Runde enthielt sich die SVP. Bis zum Schluss der Session blieben 7 Differenzen zwischen dem Nationalrat und dem viel moderateren Ständerat. Da keine Einigung zustande kam, obsiegte in all diesen Positionen der kleinere Betrag aus dem NR. Nur SP und Grüne hielten bis am Schluss gegen diesen Staatsabbau, durchgehend ohne Erfolg. Das ist nun erst ein Vorgeschmack auf die kommenden Jahre, wenn wegen der Steuerausfälle durch die USRlll das Budget noch enger geschnallt werden muss.

Altersvorsorge

Der Ständerat bleibt seiner Linie treu und will die sinkenden Pensionskassenrenten mit leicht höheren AHVRenten (+70.-) abfedern. Für mich ist die Stärkung der AHV der einzig richtige Weg die sinkende Rente aus der Pensionskasse zu kompensieren. Es ist auch der kostengünstigste. Der Ständerat lässt auch weiterhin die Finger von einer Rentenaltererhöhung auf 67, weil er weiss, dass damit die Vorlage vor dem Volk gefährdet ist. In der nächsten Session kommt der Nationalrat wieder zu Zug.

International

Zwei internationale Abkommen lagen zur Annahme vor. Das Protokoll zum internationalen Abkommen gegen Zwangsarbeit geht die modernen Formen der Zwangsarbeit an, darunter den Menschenhandel, und stellt einen Meilenstein in der weltweiten Bekämpfung der Zwangsarbeit dar. Das dritte Protokoll zur UNO-Kinderrechtskonvention füllt eine Lücke im internationalen Menschenrechtsschutz für Kinder. Sie beruht auf dem Grundsatz, dass Kinder nicht als Objekte gelten. Damit haben Einzelpersonen die Möglichkeit die Verletzung ihrer Kinderrechte vor dem UNO-Kinderrechtsausschuss geltend zu machen. Wer meint, diese Anliegen gehen einfach durch, der irrt. Die SVP bekämpfte beide Abkommen und lehnte beide geschlossen ab. Wenn „international“ draufsteht, wird es systematisch bekämpft. Sie waren dabei aber wirklich alleine.

Am 12.12. war Völkerrechtstag und ich besuchte eine Veranstaltung des EDA zum Thema „Rückführung von Potentatengeldern“. Die Rückführung von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten ist unbestritten eine Herausforderung. Die SP hat sich stark für das neue Gesetz eingesetzt, deshalb müssen wir auch bei der Umsetzung dran bleiben. Die ersten Erfahrungen würde ich als verhalten positiv bezeichnen.

Die Situation in der Türkei bleibt ein Dauerthema. Wir haben dem Bundesrat 12 Fragenblöcke zur Situation in der Türkei gestellt: Inhaftierte PolitikerInnen, JournalistInnen, RichterInnen, Rolle des schweizerischen Polizeiattaches, Zusammenarbeit der Geheimdienste, Rückführung ausgewiesener Personen, u.a.. Die Schweiz ist durchaus daran, Einfluss zu nehmen auf mulitlateraler Ebene beim Menschenrechtsrat der UNO, der OSZE und im Europarat. Die Wirkung ist bis jetzt ernüchternd und praktisch null.

Die Agenda 2030 wurde letztes Jahr von allen UNO-Staaten verabschiedet. Mit Erreichung von 17 Zielen sollen alle Länder zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Auch die Schweiz will das umsetzen. Dazu muss innerhalb der Bundesverwaltung eine Stelle bezeichnet werden, die dafür verantwortlich ist, dass die notwendige Politikkohärenz hergestellt wird und die auch darüber berichtet. Meine Motion, die das forderte, war bereits von Bundesrat und Nationalrat befürwortet worden, im Ständerat wurde sie jetzt abgelehnt, unter Wortführung von Karin Keller-Suter. Ich werde weiter daran bleiben, damit diese Aufgabe nicht leere Buchstaben bleiben.

Gesundheitssystem

Zuerst die erfreuliche Meldung. Der Nationalrat hat beschlossen, dass Kinder und junge Erwachsene weniger Krankenkassenprämien zahlen sollen. Die Kinderprämien von Kindern von Familien mit tieferen und mittleren Einkommen sollen statt um 50% um 80% verbilligt werden. Dagegen kämpfte die selbsterklärte Partei des „kleinen Mannes“, die SVP (und Teile der FDP, was weniger überrascht), jedoch erfolglos. Wenig erfreulich ist der auf einen CVP-Vorstoss basierende Entscheid des Nationalrats, die tiefste Franchise bei den Krankenkassen von 300 Franken zu erhöhen, indem sie jeweils der Kostenentwicklung angepasst wird. Das Ziel soll sein, dass die Leute weniger zum Arzt gehen wegen Bagatellfällen. Das Ziel ist aber weit verfehlt, denn die wirklich Kranken und Chronischkranken werden dabei deutlich stärker zur Kasse gebeten. Wir hatten aber keinen Stich bei der Abwendung dieser Entsolidarisierung zwischen Kranken und Gesunden.

Viel Zustimmung erreichte dafür das Anliegen, das Familien, die ihr schwerkrankes Kind oder Kind mit einer schweren Beeinträchtigung zu Hause pflegen mehr Geld erhalten. Statt zwischen 470 und 1410 sollen sie künftig je nach Pflegefall zwischen 940 und 2350 Franken erhalten. Das ist immer noch nur ein bescheidender Beitrag.

Varia

Die Schweiz ist wohl das einzige Land der Welt, welches das Bankgeheimnis in die Verfassung schreibt. So sieht es jedenfalls nach der Beratung des Nationalrats aus, der die Initiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» zur Annahme vorschlägt und ihr gleichzeitig einen eigenen Vorschlag gegenüberstellt. Die SP lehnt beides entschieden ab. Es geht dabei eigentlich um den Schutz des Steuerhinterziehungsgeheimnisses.

Der Bundesrat bestätigte auf Anfrage von Beat Jans, dass die Energiestrategie einen vierköpfigen Haushalt durchschnittlich 40 Franken pro Jahr kosten wird und nicht 3200 wie das die SVP behauptet. Dass es die SVP mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt, ist ja nichts Neues.

Der Nationalrat beschloss, dass Gentech-Moratorium um weitere vier Jahre zu verlängern und sorgt somit dafür, dass die Schweizer Landwirtschaft weiterhin gentechfrei bleibt. Ein Anliegen, das in der Bevölkerung stark verankert ist, bei den PolitikerInnen aber zunehmend abnimmt.

Der Ständerat hat nach dem Nationalrat dem Vorschlag zugestimmt, dass der Handel mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten härter bestraft werden soll. Ein wichtiger Schritt für den Artenschutz, werden doch insbesondere verschiedene Tierarten wegen angeblichen Heilungs- oder Potenzkräften oder wegen schnödem Snobismus bis zur Ausrottung gejagt. Der Bundesrat muss nun eine Gesetzesänderung vorschlagen.

Kein Ohr haben die beiden Kammern für politische Bildung. Sie haben die finanzielle Unterstützung des Politforums Käfigturm am Bundesplatz in Bern eingestellt. Das Politforum wird oft auch von jungen Leuten gebucht. Toni Brunner sprach sich lautstark gegen die finanzielle Unterstützung aus und pries dafür sein Haus zur Freiheit an, wo angeblich gratis politisiert werden kann……. Die Zukunft des für die politische Bildung wichtigen Politforums ist nun ungewiss.

Die Wintersession ist immer geprägt von verschiedenen Wahlen und den dazu gehörenden Festen. Sowohl Doris Leuthard als Bundespräsidentin als auch Alain Berset als Bundesvizepräsident erreichten hervorragende Wahlresultate. Für die SP ist Marina Carobbio als 2. Vizepräsidentin des Nationalrats auf die Präsidiumsseite gewechselt. In 2 Jahren, dem Wahljahr, wird sie den Nationalrat präsentieren. Jetzt ist es Zeit, aus dem „Klassenlager“ zurück in den Alltag zu kehren. Ich danke allen, die mich im vergangenen Jahr in irgendeiner Weise unterstützt haben.

Schöne Festtage und ein gutes Neues Jahr

Claudia Friedl