Bildung, ein Schlüssel für Entwicklung
Beitrag aus dem Rundbrief des Vereins Gentiana Primary School Nairobi, von Claudia Friedl, Vorstandsmitglied und Nationalrätin
Das aktuelle Thema in der Arbeitswelt heisst derzeit „Digitalisierung“. Das bedeutet nichts anderes, als dass immer mehr Arbeit von Maschinen und Robotern übernommen wird. Die moderne Welt jubelt. Avenir Suisse hat nachgewiesen, dass seit dem vorletzten Jahrhundert in den industrialisierten Ländern trotz stetiger Zunahme der Mechanisierung die Zahl der Arbeitenden ständig zugenommen hat. Sie gehen nun davon aus, dass dies in Zukunft so weiter gehen wird. Die einfachen Arbeiten werden wegrationalisiert, dafür gibt es mehr anspruchsvolle Arbeit, die zu höherem Lohn und damit zu mehr Kaufkraft führen soll, was wiederum mehr Produktion bewirken wird. Bei dieser Theorie stellen sich natürlich mehrere Fragen: Was wird mit Leuten, die nicht fähig sind, die immer komplexer werdende Arbeit zu leisten? Was wird mit älteren Arbeitnehmenden, wenn es darum geht, ob der Betrieb noch in ihre Weiterbildung investieren will, die dringend notwendig ist, um mithalten zu können? Wie sieht es mit den Grenzen bei den natürlichen Ressourcen aus, wenn immer mehr produziert werden muss, damit alle Arbeit haben? Gerade dieser Aspekt erscheint in den Betrachtungen der Wirtschaftsleute nicht.
In den nächsten 15 Jahren werden weltweit 600 Millionen junge Menschen einen Arbeitsplatz brauchen, um ihr Leben bestreiten zu können. Das ist eine enorme Herausforderung. Bildung wird auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen, besonders auch für die Menschen in den Entwicklungsländern. In Kenia gibt es eine Schulpflicht und die Zahl der Analphabetinnen und Analphabeten ist deutlich geringer als in anderen afrikanischen Ländern. Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht. Mit unserer Gentiane Primary School können wir aber eine wichtige Lücke im Schulsystem füllen, weil die Schule sich auf schwächere und benachteiligte Kinder konzentriert, die sonst wohl kaum eine Chance erhalten würden. Die Kinder können hier schulische und soziale Fähigkeiten entwickeln, die ihnen ein Leben lang zur Verfügung stehen werden. Das Gentiana Technical College, die Schule für angehende Elektrikerinnen und Elektriker, ist ein weiterer, kleiner Baustein im Bildungswesen. Sie öffnet den Jugendlichen den Weg in die Berufswelt in einem Berufszweig, der unter dem Gesichtspunkt der Digitalisierung absolut zukunftsträchtig ist.
Private Projekte wie unsere Gentiana Schools werden auch in Zukunft wichtig bleiben, bis die Länder selber in der Lage sind, sich um die Schwächeren in der Gesellschaft zu kümmern. Gerade jetzt zeigt sich auch, dass die Budgets der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit in den industrialisierten Ländern immer mehr unter Druck geraten. Im aktuellen Sparprogramm des Bundes, es nennt sich freundlich Stabilisierungsprogramm, muss das Budget der internationalen Zusammenarbeit am meisten zu den Einsparungen beitragen. Das ist kurzsichtig, denn durch die vielen Konfliktgebiete und die anhaltenden Flüchtlingsströme ist der Geldbedarf deutlich gestiegen. Jetzt wird vor allem die dringend nötige humanitäre Hilfe ausgebaut, damit bleibt aber immer weniger Geld für längerfristige Entwicklungsprojekte. Wir müssen uns auf jeden Fall dafür einsetzen, dass der Bund die Summe von 0.5 % des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin zur Verfügung stellt und diesen Anteil längerfristig auf 0.7 % des BNE erhöht, wie dies andere fortschrittliche Länder tun.
Die Berichte, die wir jeweils aus Nairobi über die Gentiana Schools erhalten, zeigen, wie wichtig dieses Engagement ist. Am schönsten wäre es natürlich, wenn man sich eines Tages zurückziehen könnte, weil der Staat die Aufgaben selber wahrnimmt. Davon sind wir aber noch weit entfernt.