Sessionsbrief Sommersession 2017

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Am Freitagmittag ging die Sommersession zu Ende. Es war eher eine unspektakuläre Session, aus meiner Kommission, der Aussenpolitischen, hatten wir gerade einmal 1 kleines Geschäft. Dafür war die Überraschung am letzten Mittwoch umso grösser, als der Ratspräsident den Rücktritt von Didier Burkhalter verkündete. An Burkhalter schätze ich besonders sein Engagement für die Entwicklungszusammenarbeit und die Menschen in fragilen oder kriegerischen Kontexten, seine Friedensbemühungen und seinen Kampf für das Entwicklungszusammenarbeitsbudget, den er vor allem gegen seine eigene Partei führen musste. Im EU-Dossier fehlte es in letzter Zeit an Dynamik und Kommunikation. So sind die täglichen Angriffe von SVP (Unterwerfungsvertrag) und CVP (fremde Richter) nicht zu korrigieren. Leider hat sich der Bundesrat auch in seiner Freitagssitzung nicht zu einer Aussage zur Strategie in der Europapolitik bewegen können.

Service Public erhalten

Die Post baut ihr Poststellennetz massiv ab. Viele sind schon weg, in der Ostschweiz droht vor allem im Rheintal und in der Region Walensee/See-Gaster noch ein radikaler Abbau. Jetzt wurde im NR eine Motion überwiesen, die die Post dazu verpflichtet, in Postagenturen Bargeldzahlungen und Massensendungen anzubieten, was heute nur in Postfilialen, nicht aber in Postagenturen möglich ist. Trotz Widerstand der Mehrheit der FDP, SVP, BDP und GLP wurde der Vorstoss überwiesen. Zudem will der Nationalrat ein Moratorium für die Schliessung von Drittverkaufsstellen bei der SBB bis 2020. Zwei starke Zeichen, dass dem Service Public Sorge getragen werden muss und die Gewinnmaximierung nicht an vorderster Stelle stehen muss. Noch muss aber der Ständerat darüber entscheiden.

Flüchtlinge

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen droht ein generelles Reiseverbot. Auch Verwandte in anderen europäischen Ländern zu besuchen, soll vollständig verboten werden. Drei Vorstösse, je einer aus den Reihen der SVP, FDP und CVP, beschäftigten sich mit diesem Thema. Die radikalste Variante kam von der FDP und verlangt ein grundsätzliches Reiseverbot. Allen drei Vorstössen wurde zugestimmt mit Stimmen der SVP, FDP und einer grossen Mehrheit der CVP und BDP. Eine unmenschliche Entwicklung.

Per Gesetzesänderung soll der Status «Vorläufig aufgenommen» neu differenziert und anders bezeichnet werden. Es soll einen neuen Status «Geschützt» geschaffen werden für Personen die längeren Schutz benötigen. Damit verbunden ist eine bessere Regelung für Familiennachzug und ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt soll sich verbessern. Die SVP war dagegen, weil dies eine Besserstellung sein könnte, die man auf keinen Fall will. Für uns ist dies eine seit langem geforderte Änderung. Allerdings bringt diese neue Regelung nicht für alle Menschen mit dem Status „Vorläufig aufgenommene“ eine Besserung, sondern eigentlich eine zusätzliche Kategorie. Es wird also damit stehen oder fallen, wie die Menschen zugeordnet werden.

Eine Motion, die einmal wieder mehr Geld für die Hilfe vor Ort in Syrien sprechen wollte, wurde von der MitteRechts-Mehrheit klar abgelehnt, was nicht wirklich verwunderlich war, graben sie ja bereits jetzt bei jedem Stabilisierungsprogramm den Entwicklungsgelder das Wasser ab.

Transparenz

Der Nationalrat spricht sich gegen eine Motion aus, die mehr Transparenz bei der Partei-, Wahl- und Abstimmungsfinanzierung aus (67 zu 121) verlangt. Die gesamte SVP, FDP und ein grosser Teil der CVP waren gegen Transparenz. Damit ist es umso wichtiger, dass wir die Transparenzinitiative zustande bringen! Es gibt Themen, die im Rat x-mal vorgebracht werden und nie eine Chance haben.

Klimapolitik

Der Ständerat hat der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens zugestimmt. Auch hier fehlte, wie bereits in der NR-Debatte, eine Attacke auf das Reduktionsziel von 50% CO2-Ausstoss gegenüber 1990 nicht. Die SVP wollte nur 30%. Ein völlig ungenügendes Ziel, das kam aber nicht durch. Am Schluss haben alle zugestimmt, bis auf drei unentwegte aus der SVP, darunter Roland Eberle aus dem Thurgau und Andrea Caroni (AR), der sich der Stimme enthielt, was ziemlich traurig ist. Auf jeden Fall ein Schritt der Schweiz, der als Zeichen umso wichtiger ist, nachdem Donald Trump den Rücktritt der Vereinigten Staaten vom Klimaabkommen bekannt gegeben hat.

Gentechmoratorium

Nach dem Nationalrat hat nun auch der Ständerat einer Verlängerung des Gentechmoratoriums um weitere vier Jahre zugestimmt. Ein wichtiger Schritt, da die Erkenntnisse über die Auswirkungen der Gentechveränderungen auf das Ökosystem immer noch nebulös sind. Ich unterstütze dieses Moratorium voll und ganz. Mit konventionellen Züchtungen kann viel erreicht werden, ohne dass das Erbgut künstlich verändert werden muss.

Landschaftsschutz

Der Nationalrat hat wieder einmal den Landschaftsschutz geschwächt und eine Motion aus den SVP Reihen angenommen. Sämtliche Einschränkung beim Ausbau von Gebäuden ausserhalb von Bauzonen sollen aufgehoben werden. Die Abgrenzung zwischen Bau- und Nichtbauland – ein wichtiger Grundsatz der schweizerischen Raumplanung – wird damit völlig durchlöchert. Der Landschaftsschutz ist für die Mitte-Rechts-Mehrheit ein reines Lippenbekenntnis.

Zudem überwies der NR eine Motion, die den Stopp der Landschaftsqualitätsprojekte bei den Landwirtschaftssubventionen verlangen. Neu sollen die Beiträge nicht mehr für den Landschaftsschutz entrichtet werden, sondern in die produzierende Landwirtschaft umgeleitet werden. Landschaft ist zwar Heimat, zählt aber nicht.

Steuern und Finanzen

Einmal mehr schloss auch dieses Jahr die Staatsrechnung besser ab als budgetiert und zwar um 1.3 Mia. Franken. Statt eines Verlustes resultierte ein Gewinn von 800 Millionen. Doch die Bürgerlichen wollen am System nichts ändern. Der Überschuss darf nur zum Schuldenabbau eingesetzt werden. Da nützte auch ein für einmal guter Vorstoss der CVP, einen Teil davon der AHV zukommen zu lassen, nichts. Die Mehrheit setzt ohnehin weiter auf das Sparen (wie gerade der Ständerat bei den EL-Leistungen), oder allenfalls Reserven zu haben, wenn es um die Finanzierung der Steuergeschenke für die Unternehmen geht.

Der Nationalrat hat eine Motion aus unseren Reihen zur steuerlichen Entlastung von Start-Ups abgelehnt. StartUp Gründer werden heute steuerlich stärker belastet als Investoren von börsenkotierten Aktiengesellschaften. Die FDP gab den Medien die Auskunft, sie hätten die Motion abgelehnt, wegen dem „falschen Absender“. Sie wollen der SP keine Plattform bieten. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Später in der Session hat die Mehrheit dann eine Motion der Wirtschaftskommission zum gleichen Thema angenommen, die aber ganz klar verschiedene Steuerschlupflöcher enthält, welche wir vermeiden wollten.

Zivildienst und Armee

Der Zivildienst ist vielen Militaristen im NR ein Dorn im Auge. Als Erstrat hat der NR nun entschieden, dass Militärtage bei einem Wechsel in den Zivildienst nur noch zur Hälfte angerechnet werden. Ziel der Aktion: den Zivildienst schwächen. Das könnte aber auch ein Schuss ins eigene Bein sein. Dann nämlich, wenn sich junge Männer nun häufiger direkt für den Zivildienst entscheiden, statt erst im Militär zu beginnen, weil der Dienst sonst noch länger wird. Lächerlich war die Annahme der Motion, dass die Zivildienstleistenden nun ein „Erkennungszeichen“ tragen müssen. Eine Uniform oder wie wäre es mit einem lustigen Hütchen?

Der Nationalrat hat nun immerhin ein Zeichen gegen die absurde Idee, F/A-18 Kampflugzeuge zu Bombern umzurüsten, gesetzt. Der entsprechende Kredit wurde mit 85 zu 97 abgelehnt. Die SVP war als einzige Partei geschlossen dafür. Die FDP war eher dafür, die CVP hingegen mehrheitlich dagegen (was nicht auf unseren CVP Nationalrat Jakob Büchler zutrifft). Angenommen mit unseren Stimmen wurde hingegen die Verlängerung des Swisscoy Einsatzes im Kosovo. Wir sind der Meinung, dass der Einsatz für die Stabilität in der Region immer noch positiv ist.

Gesellschaftspolitik in leichter Vor- und Rückwärtsbewegung

Der Nationalrat hat als Zweitrat dem Beitritt zur Istanbul-Konvention zugestimmt. Das Ziel ist die Verhütung, Bekämpfung und Verfolgung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Die Schweiz unterzeichnet internationale Abkommen nur, wenn die eigenen Gesetze für deren Umsetzung genügen. Das ist hier der Fall. Als Mitunterzeichnerin unterstreicht die Schweiz die Wichtigkeit des Themas. Dass die SVP dagegen war, spielte für den Entscheid keine Rolle, ist aber einmal mehr ein Armutszeugnis für diese Partei.

Muss ein neugeborenes Kind mehr als drei Wochen im Spital bleiben, soll die Mutter länger Mutterschaftsentschädigung erhalten. Das hat nach dem Ständerat nun auch der Nationalrat beschlossen, auch wenn die SVP und einige Vertreter der FDP, darunter Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands, dies unnötig finden. Andere Vorstösse für mehr Elternzeit konnten wir nicht durchbringen. Das muss die Stimmbevölkerung mit der Vaterschaftsinitiative tun.

„Einmal volltanken und einen Cuba libre zum Mitnehmen, bitte!“ Eine Motion, die verlangt, dass auf Autobahnraststätten Alkohol gekauft werden kann, wurde mit Unterstützung von BR Leuthard angenommen. Gleichlange Spiesse seien notwendig, immerhin gäbe es auf den Autobahnen ja viel weniger Unfälle, als auf anderen Strassen, das zeige die Statistik. OK, aber was sagt das nun über das Angebot von Alkohol aus? Mehrere Vorstösse, welche Verbesserungen für Arbeitende und Arbeitslose gebracht hätten, wurden von den Bürgerlichen abgeschmettert. Hingegen konnten sie ihr Konzept erfolgreich umsetzen. Sie wollen das Arbeitsrecht „modernisieren“ oder anders ausgedrückt, den Schutz der ArbeitnehmerInnen abbauen. 127 haben dafür gestimmt.

Neben all den Sessionsgeschäften gab es wieder viele interessante politische Veranstaltungen. Besonders beeindruckt hat mich das Gespräch mit der Menschenrechtsverteidigerin Yanar Mohammed über die unmögliche Situation der Frauen im Irak, einer Region, wo die Weltöffentlichkeit nicht wirklich hinschaut. Sie beschrieb, welche humanitäre Katastrophe dort abläuft, was es für die Bevölkerung bedeutet, wenn über die „Befreiung von Mossul“ berichtet wird und anderes. Ich nahm auch an einer Podiumsdiskussion mit Glencore-Vertretern über die Situation im Tschad teil und diskutierte bei einer Veranstaltung im Bundeshaus über die entwicklungspolitischen Aspekte von Freihandelsabkommen mit. Auch zum Stellenwert der Biodiversität in der 2. Raumplanungsgesetzrevision sowie die Situation bei den Wasserzinsen und die Entwicklung eines sogenannten Strommarktdesign gaben mir Inputs für die weitere Politarbeit. Und: Immerhin gab das heisse Wetter endlich wieder einmal die Gelegenheit für einen Sprung in die Aare! Damit wünsche ich allen einen schönen Sommer.

Mit besten Grüssen
Claudia Friedl