Klimaschutz geht nur mit neuem Parlament

Das Jahr 2018 war meteorologisch in der Schweiz ein Extremjahr. Es dürfte eines der heissesten und trockensten der Messreihe sein. Seit Messbeginn hat sich die Schweiz bereits um rund 2 Grad Celsius erwärmt, das weltweite Mittel liegt bei plus 1 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit. Die Schweiz wird damit umgehen können, viele ärmere Länder vor allem im Süden und in Küstennähe, nicht. Vom Klimaziel von Paris, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad zu halten, sind wir weit entfernt.

Eigentlich müsste 2050 ein Netto-null-Ausstoss an CO2 erreicht werden. Im Dezember 2018 sollten in Katowice an einer weiteren Klimakonferenz Massnahmen dazu festgelegt werden. Aber erst in letzter Minute konnten sich die anwesenden Staaten auf einige technische Ziele einigen. Die Schweiz galt früher als Fürsprecherin der ärmeren Länder. Das ist nun anscheinend vorbei. Sie machte sich stark für die Interessen der Industriestaaten, als es um die Bereitstellung der internationalen Klimagelder von jährlich 100 Milliarden Dollar ging. Eine Summe, die die Industriestaaten den ärmeren Ländern für Massnahmen zur Vermeidung von Klimagasen und zum Schutz vor Klimaschäden als zusätzliches Geld in Aussicht gestellt hatten. Die Schweiz hatte für sich einen angemessenen Anteil von 400 – 650 Millionen Franken jährlich errechnet (obwohl die NGOs 1 Mia. forderten). Die neue Strategie der Schweiz ist es, dieses Geld aus dem Topf der Entwicklungshilfe zu nehmen, also nix mit „neuem Geld“. Für die armen Länder ein Nullsummenspiel.

Diese Haltung passt zur ganzen Klimadiskussion. Obwohl erwiesenermassen eines der wichtigsten Zukunftsthemen, wird es auf die lange Bank geschoben. Dazu passt auch das Theater bei der Beratung des CO2-Gesetzes im Nationalrat. Da fand einmal mehr die Märchenstunde der SVP über eine anscheinend nicht stattfindende Klimaerwärmung statt. Dann wurde der Wille zum Nichtstun der selbsternannten staatstragenden FDP demonstriert. Die SP stieg mit dem Anspruch in die Verhandlungen, das Gesetz noch deutlich zu verbessern. Denn mit der Vorlage von Bundesrat und Kommission war klar, dass eine deutliche Ziellücke entstehen würde und keine Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden könnte. Eine Vorlage ohne Ambitionen.

Nach 11 Stunden Beratung waren dem Gesetz die letzten Zähne gezogen, von Verbesserungen keine Spur. Ein CO2-Gesetz ohne Reduktionsziele im Inland, gestrichen von SVP und FDP, ist für Nichts. Der Gebäudebereich und der Verkehrsbereich wurden weiter verwässert, die Tür für synthetische Treibstoff aus Atomstrom geöffnet, ein Antrag auf eine klimakompatible Finanzwirtschaft wurde abgelehnt, ein anderer auf Einführung einer Flugticketabgabe versenkten SVP und FDP zusammen mit einzelnen CVPlern. Nur eine lasche CO2-Abgabe auf Brennstoffe des Bundesrats konnte gerettet werden.

Viele Abstimmungen verliefen mit 1-2 Stimmen Unterschied sehr knapp. Die SVP und FDP hielten praktisch geschlossen zusammen. Das Gesetz war zum Schluss völlig unbrauchbar, weil wirkungslos. Lieber kein neues CO2-Gesetz als ein solches. Damit blockiert man die Umsetzung des Klimaschutzes für die nächsten 10 Jahre. Bei der Schlussabstimmung stimmte dann die SVP Nein, obwohl sie bei fast allen Anträgen bei den Siegerinnen war. Wir haben so abgestimmt, dass das Gesetz versenkt wurde. Darauf hatte die FDP noch die Frechheit die Schuld für das Scheitern dieses Gesetzes der SP zuzuschieben. So kommt man nicht zu Resultaten. Diese Mehrheitsverhältnisse müssen im Oktober geändert werden.

Ein beträchtlicher Teil der Klimapolitik spielt sich in den Kantonen ab. Derzeit werden die kantonalen Energiegesetze mit den neuen Gebäudevorschriften (MuKEn) angepasst. Auch im Kanton St. Gallen. Die SP hat in ihrer Vernehmlassungsantwort deutlich schärfere Vorschriften im Bereich der fossilbetriebenen Heizsysteme und eine Vorbildfunktion der Verwaltung im Bereich Energieeffizienz und Photovoltaik gefordert. Man darf auf das Gesetz gespannt sein. Im Kanton Bern wurde von den Berner Wirtschaftsverbänden und dem Hauseigentümerverband bereits das Referendum dagegen ergriffen, im Februar 2019 wird darüber abgestimmt, der Ausgang ist offen.

Aufhorchen lässt die Klimabewegung der Jungen. Mit ihren Klimastreiks setzen sie ein Zeichen gegen die Untätigkeit der Politik und kassieren dafür unentschuldigte Absenzen, statt dass man sich mit ihren Anliegen auseinandersetzen würde. Genau das hat die Kantonsratsfraktion von der Regierung nun gefordert. Handeln ist angesagt, und zwar rasch.