Votum zur Begrenzungs-Initiative

Für die SVP-Fraktion scheint festzustehen, dass für alle Probleme, die wir in der Schweiz haben, die Leute verantwortlich sind, die über das Freizügigkeitsabkommen als Arbeitskräfte aus der EU in die Schweiz gekommen sind.

Heute gestehen wir diesen Arbeitskräften zu, Menschen zu sein. Deshalb dürfen sie auch ihre Familien mitbringen und, so wie wir, als Familie dauerhaft zusammenleben. Früher, in der guten alten Zeit der SVP, war das anders. Die Arbeitskräfte wurden genauso lange in der Schweiz geduldet, wie sie gebraucht wurden. Die Familie musste in der Ferne bleiben. Eine unmenschliche Situation für die Familien, aber auch eine stete Ungewissheit über die Zukunft, weil die Niederlassung nicht dauerhaft war. Die Arbeitenden mit Saisonnierstatus verdienten weniger als die hiesige Bevölkerung, das führte auch zu Lohndumping bei den schweizerischen Angestellten. Die Saisonniers mit wenig Rechten waren Manipulationsmasse mit dem einzigen Auftrag, unseren Wohlstand zu vergrössern. Solche Zeiten wollen wir nicht mehr!

Die Personenfreizügigkeit mit der EU hat dafür gesorgt, dass der Bedarf der Schweizer Wirtschaft an genügend Arbeitskräften gedeckt werden kann. Die Zuwanderung ist aber nicht einfach frei. Herr Bigler hat es vorhin ausgeführt: Schon heute bestehen Bedingungen. Es braucht einen gültigen Arbeitsvertrag, oder die Person muss selbstständigerwerbend sein oder bei Nichterwerbstätigkeit über ausreichend finanzielle Mittel verfügen.
Denken wir auch an die Schweizerinnen und Schweizer, die dank der Personenfreizügigkeit die Freiheit nutzen, sich in einem anderen europäischen Land niederzulassen. Immerhin machen rund 500 000 davon Gebrauch. Die SVP will das mit ihrer Initiative beenden.

Es ist ja bekannt, dass das Freizügigkeitsabkommen ein Teil der Bilateralen I ist, genauso wie die Verträge zu technischen Handelshemmnissen, zum öffentlichen Beschaffungswesen, zur Landwirtschaft, zum Land- und zum Luftverkehr. Das sind wichtige Verträge; sie sind insbesondere für unsere auf Export ausgelegte Wirtschaft wichtig.

Sie alle fallen wegen der Guillotine-Klausel weg, wenn das Freizügigkeitsabkommen gekündigt werden muss. Das ist bekannt, und dass es dazu kommen würde, ist ebenfalls eine Tatsache; dies nur schon deshalb, weil die Initiative für die Verhandlungen zu einer geordneten Beendigung des Freizügigkeitsabkommens lediglich ein Jahr vorsieht. Stellen Sie sich vor, in einem einzigen Jahr eines der wichtigsten EU-Dossiers neu zu verhandeln! Das ist absolut illusorisch. Ich kann nur sagen: Brexit lässt grüssen!

Der privilegierte Zugang der Schweizer Wirtschaft zum EU-Binnenmarkt wäre weg. Wenn man bedenkt, dass weit mehr als 50 Prozent des gesamten Aussenhandels der Schweiz mit der EU stattfindet, ist das absolut fahrlässig. Die Auswirkungen auf den schweizerischen Arbeits-, Wirtschafts- und Wissensstandort wären fatal. Der bilaterale Weg der Schweiz wäre als Ganzes in Frage gestellt – und das in einer Zeit, in der die Zusammenarbeit der Staaten in vielen Bereichen immer wichtiger wird, insbesondere auch in Europa. Ich nenne dazu Themen wie Klima, Verkehr, Migration, Sicherheit, Forschung.

Für mich ist klar, dass dieser Schritt in die Isolation kontraproduktiv ist. Deshalb lehne ich diese Initiative ab und empfehle Ihnen, dies ebenfalls zu tun.

Votum vom 16. September 2019 im Nationalrat.