Sessionsbrief Winter 2020
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leserinnen und Leser
Das allgegenwärtige Thema in dieser Session war CORONA. Es wurde Geld gesprochen, Gesetze angepasst und leider auch Chancen verpasst, die Hilfsmassnahmen so auszugestalten, dass Konkurse und Arbeitslosigkeit möglichst verhindert werden können. Aber die wichtigste Aufgabe wäre ohnehin, die Ansteckungen zu reduzieren und damit das am Anschlag laufende Pflegepersonal in Spitälern und Pflegeheimen zu entlasten. Aber dieser Aspekt wurde in den Diskussionen oft ausgeblendet.
Corona
Die erste herbe Enttäuschung setzte es, als sowohl der Nationalrat und als auch der Ständerat das Covid-19-Geschäftsmietegesetz ablehnte. Seit dem Sommer sprach sich die Mehrheit für einen Teilerlass der Geschäftsmieten für die zwangsgeschlossenen Unternehmen während dem Corona-Lockdown im Frühling aus. Nach langem hin und her haben einige Windfahnen aus der CVP gedreht und so wurde das Gesetz im Nationalrat mit 87 zu 100 versenkt. Die SVP und FDP waren geschlossen dagegen. Von CVP und GLP waren etwa die Hälfte dagegen, so auch die St. Galler CVP Nationalräte Paganini und Ritter. Für die Kleinbetriebe wie Coiffeure, Läden und Restaurants ein herber Schlag im Kampf gegen den Konkurs. Sie wurden von den bürgerlichen Wirtschaftsparteien im Stich gelassen.
Bereits bei den Vorbereitungen für die Wintersession haben wir in der Finanzkommission die Aufstockung der Beträge für die Härtefallentschädigung gefordert. Die Zeit gab uns Recht: in der 4. Nachmeldung des Bundesrats zum Budget wurde der Betrag auf 2.5 Milliarden erhöht. Ich bin sicher, dass dies nicht reichen wird. Aber mehr lag derzeit nicht drin. Mit der Härtefallregelung werden an Unternehmen nicht rückzahlbare Beträge ausbezahlt. Die Bedingungen für die Auszahlung haben wir im Covid-19-Gesetz geregelt. Unternehmen, die wegen der Covid-Massnahmen einen Umsatzrückgang von mindestens 40 % gegenüber vorher erlitten haben, können entschädigt werden. Entschädigt wird aber nur bis maximal 10 % des Umsatzes. Das ist eine Ohrfeige für das Gewerbe. Damit werden weder Konkurse noch Arbeitslosigkeit verhindert. Wir werden uns weiter für bessere Abgeltungen einsetzen. Einen Erfolg konnte die SP bei der Kurzarbeitsentschädigung bei den Tiefeinkommen erzielen. Wir forderten, dass die Entschädigung bei Löhnen von unter 4000.- Franken nicht auf 80 % gekürzt werden darf, wie das im Gesetz steht. Gelungen ist uns nach langem Hin und Her eine Mehrheit dafür zu finden, dass die Einkommen unter 3470.- Franken (Mindestlohn in Gastrobranche) keine Kürzung erfahren, dann bis zu einem Lohn von 4340.- Franken der Lohnersatz durchgehend 3470.- Franken beträgt und ab 4340.- Franken die 80 %-Regel gilt. Immerhin eine kleine Verbesserung, die anfangs von den Bürgerlichen kategorisch abgelehnt wurde.
Ein weiterer wichtiger, umstrittener Erfolg war, dass die Rückzahlungsfrist für die Covid-Kredite von fünf auf acht Jahre ausgedehnt wird. Das verschafft den Unternehmen mehr Luft. Neue Kredite gibt es aber bereits seit dem Sommer nicht mehr. Die Bürgerlichen lehnen dies ab, wir haben dies unterstützt.
Ein Tiefpunkt wurde erreicht, als die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat durchsetzte, dass eine öffentliche Erklärung an den Bundesrat abgegeben wurde mit der Forderung, dass es keine gravierenden Einschränkungen in den Skigebieten geben dürfe. Die Bürgerlichen haben den Ernst der Lage noch immer nicht erkannt. Steigende Erkrankungszahlen, viele Tote – aber Kommerz steht darüber. Nun, der Bundesrat hat reagiert und einen Teil der Verantwortung auf die Kantone abgewälzt.
Soziale Sicherheit und Gleichstellung
Jetzt ist es durch: Nach dem Nationalrat hat in dieser Session nun auch der Ständerat Ja zur Ehe für alle gesagt, inklusive die Samenspende für lesbische Paare. Dazu hatte der Ständerat nochmal strengere Bedingungen aufgestellt, die wir im Nationalrat übernehmen mussten. Sicher war der positive Ausgang des Geschäftes nicht. So brachte die CVP ein, dass es allenfalls eine Verfassungsänderung für diese neue Auslegung des Ehebegriffs brauche. Das war ein faules Abwehrmanöver der Konservativen: Das hätte zwingend eine Abstimmung gebraucht inklusive Ständemehr. In der Schlussabstimmung wurde die Gesetzesänderung dann aber doch deutlich mit 136 zu 48 Stimmen bei 9 Enthaltungen angenommen. Dagegen waren nur die EVP, etwa die Hälfte der CVP und ein Teil der SVP.
Ein weiteres gesellschaftliches Anliegen konnte bei der Geschlechtsidentität geregelt werden. Neu soll es unbürokratischer möglich sein, das Geschlecht und den Vornamen in Personenstandsregister ändern zu lassen. Bis zum 16. Lebensjahr müssen die Eltern zustimmen, danach reicht eine mündliche Erklärung beim Zivilstandsamt.
Nationalrat und Ständerat haben eine Meldestelle für Missstände im Sport befürwortet. Auslöser waren die aktuellen Berichte über die Missstände in Magglingen.
Der Nationalrat hat den Bundesrat beauftragt, dafür zu sorgen, dass Unternehmen verpflichtet werden, Daten zur Lohngleichheit dem Bund zu übermitteln. Zudem soll es eine stärkere Strategie zur Lohngleichheit geben.
Finanzen
In der Budgetdebatte gab es doch einige Runden zwischen dem Nationalrat und dem Ständerat, obwohl wenig grosse Beträge zur Debatte standen. So wurden weder meine Erhöhungsanträge noch die Kürzungsanträge der SVP zur Entwicklungshilfe angenommen. Das Abstimmungsergebnis zu meinen Anträgen lässt aber doch aufhorchen: mit 82 zu 108 Stimmen schnitten sie nicht schlecht ab. Dafür waren neben der SP und den Grünen auch die GLP (ausser Bäumle) und drei aus der Mitte-Fraktion. Man merkt, dass bei den Grünliberalen ein neuer Wind weht.
Einen Schritt vorwärts sind wir bei den EU-Programmen gekommen. Das Parlament hat die nötigen Gelder für eine Beteiligung am EU-Forschungsprogramm Horizon gesprochen. Auf Antrag der SP wurden auch die Gelder im Finanzplan für das Programm Erasmus+ aufgenommen. Dieses Programm will die Mobilität von Lernenden, Studierenden und jungen Berufsleuten fördern. Der Bundesrat wollte viel weniger Geld bereitstellen. Es ist aber sehr wichtig, dass diese Gelder genauso zur Verfügung stehen wie für das prestigösere Forschungsprogramm Horizon.
Auch dem Rahmenkredit von 1.7 Milliarden CHF für Bürgschaften im gemeinnützigen Wohnungsbau stimmte das Parlament zu. Mein Antrag um eine Erhöhung auf 1.9 Milliarden wurde leider abgelehnt. Dieser Betrag wäre der gleiche gewesen, wie der für die letzte Periode. Der steigende Leerwohnungsbestand hilft wenig gegen die Not von vielen, die mit kleinem Budget eine bezahlbare Wohnung, die gesundes Wohnen zulässt, suchen. Grundsätzlich dagegen war nur die SVP.
Umwelt und Klima
Der Nationalrat nimmt einen Gesetzesentwurf aus dem Ständerat an, um die Risiken von Pestiziden für das Trinkwasser und die Umwelt zu reduzieren. Das ist auch dringend notwendig, denn rund 1 Million Menschen in der Schweiz trinken belastetes Wasser. Das muss sich ändern. Ob die Bestimmungen dann wirklich Zähne haben und wirken, wird sich noch weisen.
Einen Erfolg konnte ich mit einer Motion zu einem Verkaufsverbot von invasiven Neophyten erreichen. Der Ständerat hat als Zweitrat die Motion oppositionslos angenommen. Mittlerweile ist es wohl allen klar, dass es keinen Sinn macht, Pflanzen im Verkauf zuzulassen, die dann, nachdem sie ausgepflanzt wurden, wegen einem anderen Gesetzes wieder ausgerissen werden müssen.
International & Asyl
Der Nationalrat hat eine Motion von Kollegin Priska Seiler Graf hauchdünn mit 97 zu 95 Stimmen angenommen, welche einen Lieferstopp von Kriegsmaterial für sämtliche Kriegsallianzen im Jemen verlangt. Dafür waren SP, Grüne, Grünliberale und etwa die Hälfte der Mittefraktion. Dagegen waren die Freisinnigen sowie die SVP, mit einer Ausnahme. Der Nationalrat Alois Huber aus dem Aargau hat die Motion angenommen. Hätte er die Vorlage abgelehnt, wäre es Unentschieden gewesen und wohl am Stichentscheid von SVP-Nationalratspräsident Andreas Aebi gescheitert.
Deutlich angenommen wurde auch die Änderungen von Schengen 1 und 2. 157 waren dafür und 37 dagegen. Die SP hat den Änderungen zugestimmt, nachdem das Gesetz auf Druck der SP nachweislich verbessert wurde.
Gutgeheissen wurden auch eine Kapitalerhöhung der Weltbankgruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank. Da konnten wir einen lang erarbeiteten Erfolg verbuchen: Wir haben in den Bundesbeschluss klare Handlungsleitlinien für die Schweizer VertreterInnen in diesen Gremien festgeschrieben. Denn einfach Geld für klimaschädigende, menschenrechtsverletzende oder korrupte Geschäfte zur Verfügung stellen, wollten wir auf keinen Fall. Aber die Kredite sind wichtig für die armen Länder, besonders auch jetzt zu Corona-Zeiten. Die Leitlinien umfassen Menschenrechte, Umweltrechte, Sozialstandards, Kinderarbeit, Klimaziele, Nachhaltigkeitsziele, Korruptionsverhinderung, Schaffen von würdigen Arbeitsplätzen. Das gab es noch nie. Im Nationalrat haben Fabian Molina und ich diese Vorgaben gemacht, der Ständerat hat sie zusammengefasst und bei 2 Durchgängen durch beide Räte wurde eine sehr gutes Konzentrat von Bedingungen erschaffen.
Der Bundesrat wollte ein Reiseverbot für vorläufig aufgenommen Asylbewerber einführen. Der Nationalrat ist jedoch glücklicherweise nicht darauf eingetreten. Das Reiseverbot würde dazu führen, dass sich Verwandte nicht mehr sehen könnten. Das ist menschenunwürdig, zudem lässt sich kein sicherheitspolitischer Nutzen erkennen.
Äusserst positiv ist die Annahme einer Motion aus der staatspolitischen Kommission. Sie fordert, dass lernende AsylbewerberInnen bei einem negativen Entscheid ihre Ausbildung abschliessen können. So soll es zukünftig keine Fälle mehr geben, wie jenem in der St. Galler Velowerkstatt, bei dem ein junger Asylbewerber am 18. Geburtstag seine Anlehre als Velomechaniker kurz vor Abschluss abbrechen und zurückreisen musste.
Varia
Der Ständerat will einen indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative. Die Initiative fordert die Offenlegung bei Kampagnen ab 100’000 CHF während der Ständerat bereits ab 50’000 Franken Transparenz will. Dafür will er die Offenlegung der Spenderbeiträge massiv erhöhen von 10’000 CHF auf 25’000 CHF pro Person. Das ist scheinheilig, denn mit der massiven Erhöhung der Spenderbeiträge wird das Gesetz vollständig ausgehöhlt. Das ist keine Alternative zur Initiative.
Ein verrücktes, auch schwieriges Jahr geht zu Ende. Ich wünsche euch allen eine gute Festtagszeit und vor allem Gesundheit. Und uns als Gesellschaft wünsche ich, dass wir uns bald wieder normal begegnen können, reden, lachen, singen, umarmen. Also, bis bald!