Sessionsbrief Sommer 2021

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leserinnen und Leser

Eine weitere Session haben wir in unseren Plastikgehäusen verbracht. Einige Erfolge konnten wir verbuchen, so bei der von der SP seit langem geforderten Transparenz bei der Parteienfinanzierung oder auch minimale Verbesserungen für Flüchtlinge, indem die Reisemöglichkeiten im Schengenraum verbessert wurden. Zwei von den Bürgerlichen durchgedrückte Entscheidungen werden wir entschieden bekämpfen: Die Rentenaltererhöhung für Frauen und die Abschaffung der Stempelsteuer.

Corona

Corona ist noch nicht vorbei, weder auf der gesundheitlichen noch auf der wirtschaftlichen Seite. So haben wir das Covid-Gesetz gegen den Willen der SVP geändert und die Unterstützung für Härtefälle und Hilfsmassnahmen unter anderem für professionelle und semiprofessionelle Sportclubs, Kultur und Grossanlässe bis Ende Jahr verlängert. Zusätzliches Geld braucht es zudem für Impfungen und Tests. Ich stellte einen Antrag, die Gelder für ACT-A, dem Programm zur weltweiten Bekämpfung der Pandemie durch Bereitstellen von Tests, Impfungen und eine Verbesserung der Gesundheitssysteme, von 300 auf 900 Millionen zu erhöhen. Mit 107 zu 79 wurde er abgelehnt, fand aber Unterstützung von SP, Grünen und der GLP. Auch der Aufruf der WHO, «Wir sind nur sicher, wenn jede sicher ist» und deshalb endlich auch die ärmeren Länder zu unterstützen, nützte bei den Bürgerlichen nichts. Auch eine Motion der Aussenpolitischen Kommission zum Beitritt zur Initiative «Solidarity Call to Action» der Weltgesundheitsorganisation WHO fand mit 90 zu 94 Stimmen keine Mehrheit. Mit der Initiative soll der weltweite Austausch von Wissen, Daten und geistigem Eigentum gefördert werden, nun leider ohne die Schweiz.

Aber es geht nicht nur immer um das Geld. Der Nationalrat hat den Bundesrat beauftragt, einen Bericht darüber zu erstellen, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat und konkrete Massnahmen dazu erarbeiten. Nur für die SVP ist dies unnötig.

Umwelt

Aus dem UVEK kam eine riesige Anzahl von Motionen und Postulaten auf die Traktandenliste. Simonetta beantwortete geduldig und kompetent die von Seiten der SVP in einem zunehmend frechen Ton gestellt wurden. Aktuell ist sicher, dass der Nationalrat die steuerliche Bevorzugung von Pestiziden bei der Mehrwertsteuer aufheben will. So steigt der Sondertarif von 2.5 % (wie für Lebensmittel) auf die regulären 7.7 Prozent.

Ebenfalls angenommen hat der Nationalrat eine Motion, welche die Berücksichtigung vonKlimarisiken von Finanzakteuren als Teil der treuhänderischen Pflicht einführen will. Ein Anleger muss nun zwingend auch die Klimarisiken berücksichtigen.
Ein immer wichtigeres Thema (endlich!) wird die Kreislaufwirtschaft. Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, bürokratische Hürden für Innovationen in diesem Bereich abzubauen. Er soll, auch aufzeigen, wie verhindert werden kann, dass neue, unverkaufte Produkte weggeworfen werden. Dagegen war nur eine Minderheit um Mike Egger, der sich gerade zum Wortführer gegen alles was Natur- und Umweltschutz betrifft, entwickelt.

Klar angenommen wurde im Nationalrat eine Vorlage, mit welcher Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien ab 2023 mit einmaligen Investitionsbeiträgen gefördert werden. Ende 2022 läuft die heutige Einspeisevergütung (KEV) aus, deshalb ist das richtig. Aber leider setzten sich die Wasserkraftnutzer durch und die Förderung wird auf die kleinen Gewässer verstärkt. Der Einhaltung der Schutzbestimmungen muss jetzt besondere Achtung geschenkt werden.

Als weiteren Auftrag erteilte der Nationalrat dem Bundesrat, alle seine Immobilien innerhalb von zwölf Jahren mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Ebenfalls will der Nationalrat vom Bundesrat eine Strategie zur Herausforderung grüner Wasserstoff. Die Aufträge wurden nur von der SVP bekämpft.

Bei Nahrungsmitteln sollen künftig Herkunft und in der Schweiz verbotene Produktionsmittel obligatorisch deklariert werden. Angesichts der katastrophalen Haltungsbedingungen in gewissen Ländern ist das ein guter Ansatz. Erfreulich ist auch der Entscheid des Nationalrats, das Moratorium für gentechnisch veränderte Pflanzen um weitere vier Jahre verändern. Nur die FDP war dagegen.

Im Bereich öffentlichen Verkehr wurde gleich ein ganzer Strauss von Aufträgen an den Bundesrat übergeben. Unter anderem enthalten sie den Ausbau des Nachtzugangebots und der internationalen Bahnverbindungen. Hier spürt man das umweltbewusstere Parlament stark. Dagegen ist meist die ganze SVP und einige FDP.

Der Bundesrat soll Abklärungen treffen, wie ein Velo-Nationalstrassennetz zwischen den Agglomerationen aufgebaut und finanziert werden könnte.

Soziales

Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat will die AHV Revision auf dem Buckel der Frauen austragen und ihr Rentenalter erhöhen. So nicht! Die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern besteht seit langem und ist sogar noch gestiegen. Eine Erhöhung des Frauenrentenalter ist faktisch eine Rentenkürzung. Der Ständerat hat die ursprünglich vorgesehenen Kompensationszahlungen gekürzt und der Nationalrat ist ihm gefolgt. Einen Rentenabbau können wir nicht akzeptieren, weil alle wissen, die Renten müssten endlich angehoben werden. Aber da erreichen wir keine Mehrheiten, da ist Mitte-Rechts geschlossen dagegen. Wir werden wohl das Referendum ergreifen müssen.

Das Parlament hat bereits in der letzten Session einen Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative ausgearbeitet: Bund und Kantone sollen angehenden Pflegefachkräfte finanziell unterstützen und Pflegenden soll es teilweise ermöglicht werden, selbstständig mit den Krankenkassen abrechnen zu können. Hingegen nimmt er die Punkte für bessere Arbeitsbedingungen und Work-Life-Balance nicht auf. Heute hat nun das Parlament die Initiative zur Ablehnung empfohlen, dafür stimmte die linke Ratshälfte. Jetzt wird das Initiativkomitee entscheiden, ob das Ergebnis ausreicht, damit sie die Initiative zurückziehen. 

Einmal mehr hat der Nationalrat einen Vorstoss aus SP Kreisen abgelehnt, welcher in der ganzen Schweiz existenzsichernde Stipendien einführen will. Eine Mehrheit findet das nicht nötig. Nur so viel zu Chancengleichheit in der Bildung.

International

Es war der Nationalrat, der den Bundesrat zwang, das Thema «Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU» zu diskutieren. Obwohl Kantone und die Aussenpolitischen Kommissionen in der Konsultation dem Bundesrat rieten, nicht abzubrechen, entschied er sich doch dafür. Das musste diskutiert werden. Niemand ausser der SVP war glücklich über den Entscheid des Bundesrats, vor allem auch deshalb, weil der Bundesrat keinen Plan hat, wie die bilateralen Beziehungen mit Europa weiter gehen sollen. Jetzt müssen Schritte geplant und zügig umgesetzt werden, wie beispielsweise die Freigabe der Kohäsionsmilliarde oder die Weiterentwicklung der Kooperationsabkommen. Es gibt nun viel zu tun.

Ein kleiner Fortschritt konnte für vorläufig Aufgenommene erzielt werden. Sie dürfen künftig nahe Familienmitglieder im Schengenraum besuchen und zwar nicht erst dann, wenn diese schwer erkrankt oder gestorben sind. Der Nationalrat hat ein absolutes Reiseverbot, welches auch gefordert wurde, abgelehnt. Für ein Verbot waren SVP und die Mitte. Neu soll es diesen Personen zudem erlaubt sein, für die Arbeit den Wohnkanton zu wechseln und das bereits nach sechs Monaten Beschäftigung.

Finanzen

Der Nationalrat hat eine Motion an den Ständerat überwiesen, welche ein Systemwechsel von der Ehepaar- und Familienbesteuerung hin zur Individualbesteuerung verlangt. Dagegen waren die SVP und eine Mehrheit der Mitte. Damit nimmt der Nationalrat ein altes Anliegen der SP auf und kommt einer Initiative der FDP-Frauen vor, die genau dies fordert. Im Trockenen ist die Forderung noch nicht, jetzt muss noch der Ständerat darüber befinden.

Es ist manchmal schwer zu verstehen. Bei den Renten wird gekürzt und den Grosskonzernen macht man Steuergeschenke in der Höhe von mehreren Hundert Millionen Franken jährlich. Mitte-Rechts will die Stempelsteuer abschaffen. Da können wir nicht zusehen, denn es sind noch weitere «Steuerentlastungen» für die Unternehmen geplant. So geht Steuergeld verloren, Geld, dass dann andernorts fehlt. Wir werden also auch hier das Referendum ergreifen müssen. Es ist wichtig, dass wir diese Unterschriften rasch sammeln, schon in Kürze wird das möglich sein.

Einen riesigen Erfolg konnte die SP verbuchen. Ein uraltes Anliegen unsererseits fand in Form eines Gegenvorschlags zur Transparenzinitiative eine Mehrheit. Neu müssen Beträge ab 15’000 Franken an Politiker:innen , Parteien und Komitees offengelegt werden und Kampagnengelder bei einem Total über 50’000 Franken ausgewiesen werden. Die letzte Differenz war dem Eigensinn des Ständerats geschuldet: Er hielt lange daran fest, dass diese Regelung nicht für ihn gelten solle. Am Schluss willigte er ein und fällt nun auch unter die neue Regelung. Damit dürfte die Transparenzinitiative zurückgezogen werden, welche Beträge von 10’000 und 100’000 Franken gefordert hatte. Gegen mehr Transparenz sträubte sich hauptsächlich die SVP. Die neue Regelung wurde mit 139 zu 52 Stimmen angenommen.

In den nächsten Wochen und Monaten werden wir wieder einiges zu tun haben mit Unterschriften sammeln. Es ist notwendig für eine sozialere, ökologischere, klimagerechtere Schweiz. Wenn alle mithelfen und nur schon im Umfeld einige sammeln, dann schaffen wir das. Ich wünsche allen schöne Sommertage und -ferien.

Claudia Friedl