Sessionsbrief Winter 2021

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leserinnen und Leser

Die Wintersession begann am Tag nach dem siegreichen Abstimmungssonntag: Die gewerkschaftliche Pflegeinitiative wurde mit über 60 % angenommen und auch das Covid-Gesetz fand eine satte Mehrheit in der Bevölkerung. Im Parlament hatten wir leider weniger Erfolge.

Finanzen und Steuern

Seit 2 Jahren bin ich nun in der Finanzkommission. Da ist die Wintersession mit dem Budget der Höhepunkt. Trotz Corona präsentierte sich das Budget nicht viel anders als in früheren Jahren. Ein Teil der Covid-Zusatzkosten haben wir ausserordentlich verbucht, so dass im ordentlichen Budget kein Defizit entstand und die Schuldenbremse eingehalten wird. Es geht da um rund 78 Milliarden plus rund 2 Milliarden Covid-Kosten.  Meine Anträge zur Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere für die Unterstützung armer Länder in der Covid-Krise, für den Start einer Malariaimpfkampagne für Kinder vor allem in Subsahara Afrika und die Aufstockung für die humanitäre Hilfe für Afghanistan wurden leider allesamt abgelehnt. Aus der Aussenpolitischen Kommission kam der Antrag, die Kohäsionsmilliarde an die EU zu verdoppeln, wenn der Bundesrat es schafft, die Schweiz wieder in das Forschungsprogramm Horizon und das Bildungsprogramm Erasmus zu führen. Auch dieser Antrag wurde im Rat abgelehnt. Besonders verärgert hat mich der Antrag von Beni Würth im Ständerat beim Personalbudget 21 Millionen einzusparen. Obwohl der Nationalrat in allen Verhandlungsrunden deutlich dagegenhielt, setzte sich in der Einigungskonferenz der Ständerat durch. Es ist ein absolut falsches Zeichen an das Personal, nach dem Motto: Luft hat es immer, um Kürzungen durchzudrücken.

Seit längerem zeichnet sich ab, das eidgenössische Finanzdepartement hat einen Plan: Die Grossunternehmen und die Reichsten der Schweiz sollen scheibchenweise entlastet werden. Es fallen die Floskeln «das stärkt die Standortattraktivität der Schweiz» oder «mit Abschaffung von Steuern Wachstum generieren». Ich erinnere: In der Junisession wurde die 1. Scheibe, die Emissionsabgabe (Stempelsteuer) auf Kapitalerhöhungen, abgeschafft. Das führt zu Steuerausfällen von jährlich 250 Millionen. Dagegen hat die SP das Referendum ergriffen und im Februar stimmen wir an der Urne darüber ab. In dieser Session hat das Parlament bereits die 2. Scheibe bewilligt: die Teilabschaffung derVerrechnungssteuer. Das bringt Mindereinnahmen bis zu 800 Millionen Franken. Die Verrechnungssteuer ist ein gutes Mittel gegen die Steuerhinterziehung, dieser wird nun Tür und Tor geöffnet. Gegen diese Salamitaktik kämpfen wir an und ergreifen auch hier das Referendum.

Abgelehnt hat der Nationalrat eine Motion von Ruedi Noser, welche dem Bund vorschreiben wollte, steuerbefreite gemeinnützige Organisationen stärker zu kontrollieren bei der Verwendung der Gelder. Damit sollte ihnen bei allen politischen Themen ein Maulkorb zu verpasst werden. Auslöser für die Motion war das sensationelle Volksmehr zur Konzernverantwortungsinitiative. Die Gelder, die fast ungebremst aus der Wirtschaft in Abstimmungskämpfe fliessen, bemängelt er nicht. Aber immerhin, die Mehrheit im Nationalrat (ohne FDP und SVP) versenkte diese Maulkorbvorlage.

Grosse Unterstützung genoss im Nationalrat der Vorstoss, dass Kaderlöhne von SBB, Post, Ruag, Skyguide, Suva, SRG und Swisscom gedeckelt werden und maximal eine Million betragen dürfen. Nur die FDP und einige Mittevertreter waren dagegen. Der Ständerat wollte den Vorstoss versenken, muss nun aber erneut über die Vorlage.

Umwelt, Klima und Verkehr

Einen nächsten Angriff musste die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative überstehen. Ein Vorstoss aus der SVP verlangte die vollständige Umnutzung von alten Hotels zu Wohnungen. Unterstützt wurde dieses Vorhaben von der Mitte. Die Mehrheit lehnte diesen Frontalangriff mit 108 zu 76 aber ab. 

Die Klimapolitik beschäftigte uns auch in dieser Session. Seit der Ablehnung des CO2-Gesetzes wurde im Hintergrund bereits wieder viel gearbeitet. Wichtig und weitgehend unbestritten war, dass die aktuellen CO2-Reduktionsziele bis 2024 verlängert werden. Sie wären Ende Jahr ausgelaufen. Im Nationalrat beschlossen wir, gegen die SVP, die Aufhebung der Befreiung der Dieselbusse von der Mineralölsteuer. Es ist Zeit, mit diesen falschgesteuerten Subventionen aufzuhören. Um eine Übersicht über diese zu erhalten, habe ich eine Interpellation dazu eingereicht. Der Nationalrat hat dem Bundesrat ohne grosse Diskussion den Auftrag gegeben, Projekte zu fördern, welche CO2 aus der Atmosphäre oder aus Abgasen entnehmen. Weiters will das Parlament, dass bei Infrastrukturbauten anstelle von Stahlbeton vermehrt Holz eingesetzt werden soll, um CO2 zu speichern. Am Sessionsende stellte Simonetta Sommaruga das neue Massnahmenpaket zur Klimapolitik vor. Anstatt von Lenkung und Abgaben will man nun mit Fördern und Unterstützen arbeiten. Nur zu hoffen, dass wir diesmal einen wirkungsvollen, mehrheitsfähigen Weg finden.

Eine lange Diskussion löste die Massentierhaltungsverbots-Initiative aus. Sie verlangt bessere Bedingungen für Schweizer Nutztiere. Bildlich gesprochen verlangt sie das, was uns in der Werbung von «SchweizerFleisch» vorgegaukelt wird: Artgerecht gehaltene Tiere in einem vielfältigen, artenreichen Umfeld. Der Bundesrat ist auf das Thema eingegangen und hat einen Gegenvorschlag unterbreitet. Bei den Bürgerlichen fanden aber weder Initiative noch Gegenvorschlag Gnade. So unterstützten schlussendlich 60 Personen aus SP, Grüne und GLP die Initiative, die restlichen stimmten dagegen oder enthielten sich.

Auch um Tierschutz ging es in der Motion von SP-Nationalrat Matthias Aebischer. Er forderte ein Verbot von Pelzen von Tieren aus tierquälerischer Produktion und war damit erfolgreich: mit 144 zu 31 Stimmen wurde die Motion angenommen.

Wohlfahrtsstaat und Gleichberechtigung

Die rechte Mehrheit im Parlament ist unentwegt dabei, nicht nur die Grossunternehmen und Grossverdienenden zu entlasten, auch in der Altersvorsorge drängen sie auf Abbau.

Die AHV21-Vorlage wurde an dieser Session zu Ende beraten. Nach langen, zähen Verhandlungen ist das Ergebnis einfach inakzeptabel. Die Gewerkschaften ergreifen das Referendum, die SP wird sie dabei unterstützen. Einige Punkte dazu, wie es so weit kam. Eine zusätzliche Finanzierung der AHV durch die Erträge der Nationalbank aus den Negativzinsen wurde vom Ständerat kategorisch abgelehnt und ist jetzt draussen. Die Kompensation der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 ist viel zu gering ausgefallen, nur 9 Jahrgänge profitieren davon. Und dies, obwohl bekannt ist, dass knapp 1/3 der Frauen nur von der AHV leben. Aber die rechte Mehrheit stellte sich gegen jede Verbesserung. Das einzige Anliegen, dass die Kompensationsgutschriften nicht an die Ergänzungsleistungen angerechnet werden können, konnte gerettet werden. Das ist zu wenig. In der Schlussabstimmung passierte die Vorlage mit 125 Ja zu 67 Nein Stimmen, abgelehnt nur von SP und Grünen. Das Referendum ist unausweichlich. 

Während die AHV-Vorlage fertig beraten ist, ist die Reform der Pensionskasse noch im Gange. Auch hier zeichnet sich ein veritabler Rückschritt ab. Man spürt den Druck, den die Versicherungslobby ausübt, und sie haben Erfolg damit. Der Umwandlungssatz im Obligatorium soll von 6.8% auf 6% gesenkt werden. Damit es nicht zu Rentenkürzungen kommt und dem zugestimmt werden kann, hätte es gute Ausgleichsmassnahmen gebraucht. Es lag auch schon ein Kompromissvorschlag der Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber!) vor. Dieser wurde aber bereits in der Kommission von den Bürgerlichen arg zerrupft. Die Versicherungslobby lässt grüssen. Die Rentenzuschläge, die es braucht, damit es zu keinen Verlusten kommt, sind viel zu gering ausgefallen. Die Revision fällt völlig durch, obwohl sie auch einige positive Aspekte enthält. Beispielsweise werden der Koordinationsabzug halbiert und die Einkommen von Mehrfachbeschäftigten zusammengezählt oder die Höhe der Abzüge für die BVG werden über das Arbeitsleben hinweg geglättet. Es sieht ganz so aus, als würde auch dieses Projekt scheitern, weil die Rechte nicht bereit für eine sozialverträgliche Lösung ist.

Ein weiteres trauriges Sozialkapitel sind die schwarzen Listen der Krankenkassen, die verschiedene Kantone führen. Diese erfassen Personen, die die Krankenkassenprämien, aus welchen Gründen auch immer, nicht bezahlt haben und schliessen diese Personen von Gesundheitsleistungen aus. Das kann zu dramatischen Situationen führen. Der Bundesrat war deshalb für die Abschaffung dieser Listen. Der Nationalrat hält aber mit 98 zu 92 Stimmen daran fest.

Covid-Gesetz und Corona

Auch in dieser Session musste das Covid-Gesetz wieder angepasst werden. Die Situation verändert sich ständig. Darauf muss reagiert werden. In erster Linie ging es darum, die Möglichkeit der Erteilung von Wirtschaftshilfen und die vereinfachten Kurzarbeitsbedingungen bis Ende 2022 zu verlängern. Die Diskussion im Ratssaal war wieder heiss und die SVP stellte wieder auf stur. In der SP-Fraktion wurden die Themen wie 2G oder Impfzwang ebenfalls vertieft diskutiert. An zwei Nachmittagen liessen wir uns von den ExpertInnen der Covid-Taskforce und der Ethikkommission informieren. So wie die Lage aussieht, ist meiner Meinung nach derzeit 2G unumgänglich, einem Impfzwang könnte ich mich nicht anschliessen. Wir sind eine gut informierte Gesellschaft, deshalb muss weiter die Impfung mit allen Mitteln propagiert werden. Auf Betreiben des Nationalrats werden die Tests zukünftig wieder kostenlos, jedoch nicht PCR-Tests, welche unter anderem für Reisen benötigt werden.

Menschenrechte und Internationale Zusammenarbeit

Der Nationalrat schliesst sich einmal mehr dem Ständerat an und verbietet vorläufig aufgenommenen Personen grundsätzlich das Reisen – auch innerhalb des Schengen-Raums. Damit folgt die bürgerliche Mehrheit mit 98 zu 81 Stimmen dem Ständerat und einem langen Anliegen der SVP und tritt für eine massive Verletzung der Menschenrechte ein. Besuche über die Grenze sind nicht mehr möglich, in der Verordnung soll es dann noch Ausnahmen geben. Das ist zu wenig.

Abgelehnt hat der Nationalrat eine Vorlage des Bundesrats, dass Völkerrechtsverträge zwingend vors Volk kommen müssten. Dabei wäre es nicht nur um das Volksmehr sondern auch um ein Ständemehr gegangen. Das wäre ein starker Schritt rückwärts gewesen und für viele völkerrechtliche Verträge wäre die Hürde wohl zu hoch geworden. Zum Glück wurde die Vorlage im Nationalrat gegen den Willen des Ständerats und VertreterInnen von SVP, FDP und Mitte zum zweitenmal bachab geschickt und ist nun vom Tisch.

Ich bin froh, jetzt einige ruhige Tage zu verbringen. Ich wünsche euch allen ebenfalls eine geruhsame Zeit und trotz der Einschränkungen wegen Covid einige schöne Begegnungen. Bleibt gesund!

Weihnachtliche Grüsse

Claudia Friedl