Sessionsbrief Herbst 2022
Liebe Leserin, lieber Leser
Energiekrise. Kaufkraftverlust. Krieg in der Ukraine. Es sind ohne Zweifel turbulente Zeiten, in denen wir derzeit leben. Das kann verunsichern und hemmen, bietet aber auch die Chance zum Handeln und eröffnet die Möglichkeiten für Veränderungen. Diese Dynamik ist derzeit auch im Parlament spürbar, wo in dieser Session diverse bemerkenswerte Entscheide gefällt wurden.
Energiepolitik
Rettungsschirm für Energieunternehmen
Ein wichtiges Thema dieser Session war die Energiekrise und die drohende Strommangellage und Gasknappheit im Winter. Seit dem Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine sind die Energiepreise massiv gestiegen. Dadurch sind unsere grossen Energieunternehmen Axpo, Alpiq und BKW in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, weil sie bei längerfristigen Verträgen finanzielle Sicherheitsgarantien hinterlegen müssen, wozu ihnen aber die flüssigen Mittel fehlen. 10 Milliarden Franken haben wir dafür als Verpflichtungskredit abgesegnet. Davon sind 4 Milliarden für die Axpo noch für dieses Jahr vorgesehen. Dieses Geld ist marktgerecht verzinst, beinhaltet eine Bereithaltungsabgabe und die Unternehmen unterliegen einer Transparenzpflicht. Harte Bedingungen, wie es Simonetta Sommaruga nannte. Für mich ist klar, dass der Staat diese Verantwortung übernehmen muss und diesen Rettungsschirm aufstellen muss. Gleichwohl müssen aber auch die Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen. Ihre Geschäftspraktiken müssen von den Eignern, das sind die Kantone und Gemeinden, überprüft werden. An erster Stelle muss die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit zahlbarem, erneuerbarem Strom sein. Auf die Auszahlung von Boni in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten ist zu verzichten. Ein entsprechender Antrag von uns wurde im Parlament angenommen. Der Nationalrat sagte in der Schlussabstimmung mit 135:51:6 Stimmen ja zum Rettungsschirm, Widerstand gab es einzig von der SVP, welche einmal mehr bewies, dass sie keine staatstragende Partei ist.
Energiegesetz: Solaroffensive
Im Zuge der Energiekrise haben sich die Mehrheiten verschoben. Eine früher undenkbare Vorlage wie die Solar-Offensive wurde im Eilverfahren beschlossen. Dies brachte jedoch auch den Nachteil mit sich, dass die Bürgerlichen zuerst versuchten, sämtliche Natur- und Landschaftsschutzgesetze für den Bau von Solar-Grossanlagen auszuhebeln. Im Hin- und Her zwischen dem Nationalrat und dem Ständerat konnten einige Fortschritte gemacht werden. So sind nun Moore, Moorlandschaften, Biotope von nationaler Bedeutung und Wasser- und Zugvogelreservate von Standorten von Photovoltaik-Grossanlagen ausgenommen.
Im Gegenzug wurde bedauerlicherweise die Solarpflicht auf Neubauten massiv reduziert auf grosse Gebäude ab 300 m2. 70% der Neubauten werden dadurch von der Vorlage ausgenommen und müssen das Potential für Solarstrom nicht zwingend nutzen! So bleibt die Vorlage letztlich ein Kompromiss mit positiven (mehr erneuerbare Energie), und negativen (Naturschutz) Elementen. Ich habe mich deshalb der Stimme enthalten. Die Vorlage passierte die Schlussabstimmung deutlich mit 143:23 und 22 Enthaltungen.
Nebenschauplatz: Mehr Strom vom Balkon
In der Energiekrise zählt bekanntlich jede Kilowattstunde Strom. Daher habe ich in der Fragestunde den Bundesrat gefragt, ob eine Anhebung der Grenzwerte für sogenannte Plug-in Solaranlagen möglich wäre. Dies sind kleine Anlagen, an Balkonen oder im Garten, die direkt an der Steckdose angeschlossen werden. Während die EU bei solchen Minianlagen einen Grenzwert von 800 Watt Einspeiseleistung empfehlt, liegt der Grenzwert in der Schweiz bei 600 Watt. Der Bundesrat hat in seiner Antwort Bedenken angemeldet wegen dem Brandschutz, ohne jedoch einen Unterschied zu den EU-Ländern zu nennen. Ich bleibe am Thema dran, und prüfe, ob hier mit einer unkomplizierten Massnahme mehr Energie produziert werden kann.
Klima und Umwelt
Gletscherinitiative: neues Gesetz als indirekter Gegenvorschlag
Bei der Gletscherinitiative gelang es uns, einen guten indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Dieses neue Gesetz hat den Vorteil, dass es schneller umgesetzt wird als die Initiative und bereits konkrete Massnahmen und Gelder beinhaltet. Zum einen legte das Parlament konkrete Etappenziele bis zum Erreichen von «Netto 0» Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2050 fest, zum andern konnten wir 3.2 Milliarden Franken Fördergelder über 10 Jahre bereitstellen für den Ersatz von fossilen Heizungen und Gebäudesanierungen. Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Wenig überraschend hat die SVP bereits ein Referendum gegen die Vorlage angekündet.
Für uns ist das Thema Klimawandel mit der Vorlage nicht vom Tisch. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, brauchen wir auch noch ein griffiges CO2 Gesetz und weitere Investitionen. Mit der nationalen und der kantonalen Klimafondsinitiative haben wir bereits weitere Lösungsvorschläge lanciert.
Biodiversitätsinitiative
Ebenfalls in dieser Session diskutierten wir die Biodiversitätsinitiative. Für mich ein absolutes Herzensanliegen. Diese will das Artensterben in der Schweiz endlich stoppen, in dem mehr Schutzflächen für die Biodiversität ausgeschieden werden und die bestehenden Gebiete aufgewertet werden. Der Nationalrat hat die Problematik grundsätzlich anerkannt, lehnt die Initiative jedoch mit 72:101 Stimmen ab. Einem indirekten Vorschlag, welcher vor allem auf die qualitative Aufwertung der bestehenden Schutzflächen setzt, stimmte der Nationalrat zu. Nun geht die Vorlage erstmal in den Ständerat. Warten wir ab, was er entscheidet.
Warum die Biodiversitätsinitiative von höchster Wichtigkeit ist, erkläre ich in diesem Video.
Ratssplitter: Strengerer Umgang mit Pestiziden
Ein (erster) erfolgreicher Schritt ist uns beim Kampf gegen den übermässigen Einsatz von Pestiziden im Gartenbau gelungen. Neu dürfen Hobbygärtner:innen diese nur noch anwenden, wenn sie eine entsprechende Ausbildung haben. Mit 107 zu 84 Stimmen hat der Nationalrat der Motion zugestimmt. Der Vorstoss geht nun noch den Ständerat, wo er wohl einen schweren Stand haben wird.
Sicherheits- und Aussenpolitik
Kampfjets-Debakel
Einen Tiefpunkt dieser Session stellte die Unterschrift der Schweiz unter den Kaufvertrag der neuen F-35 Kampfjets dar. Dies fiel genau in die Beratung der Armeebotschaft.
6`035`000`000 Franken (6.035 Milliarden): So viel Geld kosten die neuen Jets. Dass wir mit diesem Geld viel Schlaueres machen könnten, als es in Angriff-Kampfjets zu investieren steht ausser Frage. Das wirklich Bedenkliche an der Sache ist jedoch vor allem, dass ein demokratiepolitisch äusserst heikles Vorgehen gewählt wurde, indem die Volksinitiative gegen die Jets nicht abgewartet wurde.
Mit der Armeebotschaft beschloss das Parlament Ausgaben von insgesamt 9.7 Milliarden Franken. Nur für eine Erhöhung der Krankenkassenprämienverbilligung, bezahlbare Kita-Plätze oder bessere Renten ist kein Geld da.
Menschenrechte
Aussenpolitisch war ich erneut in einem meiner Schwerpunktthemen – den Menschenrechten – tätig. Zum einen habe ich in der Fragestunde auf die schwierige Lage von regimekritischen Journalist:innen in der Türkei hingewiesen und mich über das Offenhalten des letzten Grenzübergangs zwischen der Türkei und Syrien, was überlebensnotwendig für die Bevölkerung ist, erkundigt. Mit dem Einsitz der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat kann da wichtige Arbeit geleistet werden. Gemäss Bundesrat ist dies auch vorgesehen. Das heisst: Weiter Hinschauen!
Zudem habe ich in einer Interpellation den Bundesrat gefragt, welche Massnahmen er trifft, um das Chemiewaffenabkommen zu stärken. Diese etwas kompliziertere Vorlage habe ich in einem Video erklärt.
Kaufkraft
AHV-Teuerungsausgleich und Prämienentlastung
Der Erhalt der Kaufkraft für Menschen mit mittleren und niederen Einkommen ist angesichts der explodierenden Energiepreise, steigenden Mieten und Krankenkassenprämien eine drängende soziale Herausforderung. Zusammen mit der Mitte und den Grünen brachten wir einen kompletten AHV-Teuerungsausgleich bereits aufs Jahr 2023 durch. Für Rentner:innen die vor allem von der ersten Säule leben, ist dies ein bedeutender Schritt.
Lange Zeit sah es auch gut aus für deutlich mehr Geld für Prämienentlastungen, um den Prämienschock des nächsten Jahres abzufedern. Während wir im Nationalrat eine Mehrheit zimmern konnten, beschloss der Ständerat jedoch noch eine Zusatzschleife über die Gesundheitskommission einzulegen, was wohl vor allem taktische Gründe hat, um die Vorlage auszubremsen.
Was bewegt dich?
Genug von meiner Seite. Was bewegt und beschäftigt Sie/dich derzeit in der schweizerischen Politik? Teile es mir mit, ich bin gespannt auf die Rückmeldungen.
Herzliche Grüsse und sonnige Herbsttage wünscht euch
Claudia Friedl
Übrigens: Mehr über meine politische Arbeit findest du laufend auf Facebook, Instagram oder meiner Website.