Klima- und Energiepolitik ein Überblick

In der Energie- und Klimapolitik läuft derzeit unglaublich viel. Da kann man leicht den Überblick verlieren. Hier gibts eine Zusammenstellung zu den aktuellen und zukünftigen Vorlagen. 

1. Einleitung

In den vergangenen Monaten ist enorm viel gelaufen im Bereich Klima- und Energiepolitik. Katalysator für diese für Schweizer Verhältnisse sehr schnellen Schritte war die drohende Energiemangellage aufgrund des russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Hier ein kurzer Überblick über die aktuelle Situation von beschlossenen und geplanten Massnahmen in der Klima- und Energiepolitik.

2. Herbstsession (und davor)

Wasserkraftreserve

Bereits Anfangs September hat der Bundesrat per Verordnung beschlossen, dass die in der Schweiz eine Wasserkraftreserve gebildet werden soll. Indem Wasserkraftwerkbetreiber einen Teil des Wasser im Herbst nicht verstromen, sondern bis zur kritischsten Phase der Stromversorgung Ende Winter abwarten, soll die Energiesicherheit erhöht werden. Diese Massnahme kostet schätzungsweise 650 bis 750 Millionen Franken und wird von den Endverbraucher*innen über das Nutzungsentgelt finanziert. Die Verordnung ist bis 2025 befristet

Reservekraftwerk Birr

Ebenfalls im September beschloss der Bundesrat via Verordnung den Bau eines Reservekraftwerks in Birr im Kanton Aargau. Dieses Notkraftwerk wird mit Öl oder Gas betrieben, theoretisch könnte es auch mit Wasserstoff betrieben werden. Es soll in einer allfälligen Strommangellage eingesetzt werden und hat ungefähr die zweieinhalbfache Leistungsfähigkeit des Wasserkraftwerks in Rheinfelden. Es ist klar, dass dieses Kraftwerk sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen nur eine Notlösung sein darf. Der Betrieb ist bis maximal 2026 befristet und wird nur in Notsituationen hochgefahren. (Die Gesamtkosten belaufen sich auf 470 Millionen Franken)

Rettungsschirm Energieunternehmen

Durch den Russischen Angriffskrieg sind die Energiepreise in Europa und der Schweiz massiv gestiegen. Dadurch sind unsere grossen Energieunternehmen Axpo, Alpiq und BKW in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, weil sie bei längerfristigen Verträgen finanzielle Sicherheitsgarantien hinterlegen müssen, wozu ihnen aber bei diesen enormen Summen die flüssigen Mittel fehlen. Im Parlament haben wir 10 Milliarden Franken dafür als Verpflichtungskredit abgesegnet. Davon sind 4 Milliarden für die Axpo noch für dieses Jahr vorgesehen. Dieses Geld ist marktgerecht verzinst, beinhaltet eine Bereithaltungsabgabe und die Unternehmen unterliegen einer Transparenzpflicht und die entsprechenden Unternehmen müssen auf die Auszahlung von Boni in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten verzichten. 

Indirekter Gegenvorschlag Gletscherinitiative

Bei der Gletscherinitiative gelang es uns im Parlament, einen guten indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Dieses neue Gesetz hat den Vorteil, dass es schneller umgesetzt wird als die Initiative und bereits konkrete Massnahmen und Gelder beinhaltet. Zum einen legte das Parlament konkrete Etappenziele bis zum Erreichen von «Netto 0» Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2050 fest, zum andern konnten wir 3.2 Milliarden Franken Fördergelder über 10 Jahre bereitstellen für den Ersatz von fossilen Heizungen und Gebäudesanierungen, sowie zu Förderung neuer Technologien und Prozessen, die dem Klimaschutz dienen wie beispielsweise Negativemissionstechnologien.

  • Wenig überraschend hat die SVP bereits ein Referendum gegen die Vorlage angekündet. Sollte das Referendum zustandekommen, wird es von höchster Wichtigkeit sein, diesen Abstimmungskampf zu gewinnen.

Solaroffensive (Energiegesetz)

Die Solaroffensive umfasst:

  • Pflicht zur Nutzung von Solarenergie bei Neubauten mit einer Fläche über 300 m2.
  • Nutzung der Sonnenenergie bei Infrastrukturen des Bundes
  • Beschleunigung und Förderung von Solar-Grossanlagen, insbesondere auch von jahrelang blockierten Projekten
  • Die Erhöhung der Grimselseestaumauer

Eine früher undenkbare Vorlage wie die Solar-Offensive wurde in der Herbstsession im Eilverfahren beschlossen. Dies brachte jedoch auch den Nachteil mit sich, dass die Bürgerlichen zuerst versuchten, sämtliche Natur- und Landschaftsschutzgesetze für den Bau von Solar-Grossanlagen auszuhebeln. Im Hin- und Her zwischen dem Nationalrat und dem Ständerat konnten einige Fortschritte gemacht werden. So sind nun Moore, Moorlandschaften, Biotope von nationaler Bedeutung und Wasser- und Zugvogelreservate von Standorten von Photovoltaik-Grossanlagen ausgenommen. 
Im Gegenzug wurde bedauerlicherweise die Solarpflicht auf Neubauten massiv reduziert auf grosse Gebäude ab 300 m2. 70% der Neubauten werden dadurch von der Vorlage ausgenommen und müssen das Potential für Solarstrom nicht zwingend nutzen! So bleibt die Vorlage letztlich ein Kompromiss mit positiven (mehr erneuerbare Energie), und negativen (Naturschutz) Elementen.

3. Wintersession

Mantelerlass Energiegesetz & Stromversorgungsgesetz – Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien.

Mit dem Mantelerlass sollen diverse Energie- und Klimapolitische Gesetze beschlossen werden. Der Ständerat hat das Gesetz in der Herbstsession beraten, in der Wintersession kommt es in den Nationalrat. Es sind noch diverse Änderungen möglich.

Der Mantelerlass umfasst derzeit:

  • Ausbauziele und Verbrauchsziele: Verbindliche Zielwerte für die Jahre 2035 und 2050 im Bereich Energieproduktion aus erneuerbaren Energien und pro-Kopf Energieverbrauch.
  • Zubau von Kraftwerken: Per 2040 sollen zusätzliche Kraftwerke zur Erzeugung von mindestens 6 Terawattstunden Strom entstehen. Dafür sollen 15 von einem Runden Tisch bereits definierten Wasserkraftvorhaben beschleunigt umgesetzt werden.
  • Investitionsbeiträge: Das Gesetzespaket umfasst Investitionen in Windenergieanlagen, Kleinwasserkraftwerke, Biomasseanlagen und Geothermiekraftwerke. Fördergelder für Auktionen von Gross-Photovoltaikanlagen und Fördermittel für die Grosswasserkraft.

Positiv an den aktuellen Entwürfen ist:

  • Verzicht auf Marktliberalisierung
  • Kein Neubau von AKWs
  • Anschub und Finanzierung diverser CO2 reduzierenden Projekte.

Negativ an den aktuellen Entwürfen ist:

  • Starke Fokussierung auf Wasserkraft, zulasten des Umweltschutzes.
  • Aufweichung des Schutzes von Biotopen nationaler Bedeutung. 
    • Dieser Punkt ist sehr gefährlich für die Biodiversität.
  • Auch gasbetriebene Wärmekraftwerke könnten Fördergelder erhalten

Die SP wird sich in der Wintersession dafür einsetzen, dass die Energiepolitik nicht auf Kosten der Biodiversität geschieht. Wir haben genügend Möglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien, welche gut mit der Umwelt vereinbar sind. 

4. Längerfristig

CO2 Gesetz 2.0

Nachdem das CO2 Gesetz am 13. Juni 2021 mit 51.6% Stimmen abgelehnt wurde, liegt nun ein neuer Vorschlag von Energieministerin Simonetta Sommaruga vor. Dieser zielt mehr auf Fördergelder und enthält im Gegensatz zur abgelehnten Vorlage keine neuen Abgaben.

Folgende Punkte umfasst der Entwurf:

  • Halbierung Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990.
  • 2.8 Milliarden Franken für Klimaschutzmassnahmen im Gebäudebereich
  • Förderung Erneuerbare Energien 
    • Geothermie, Abwärme, erneuerbarer Gase
  • 800 Millionen Franken für die Förderung der ÖV.
    • Anschaffungen Elektrobusse, Ladeinfrastruktur, internationale Zugverbindungen
  • Aus- und Weiterbildungen in Berufsfeldern, welche für die Energiewende benötigt werden.

Diese Vorlage wurde noch nicht im Parlament beraten und kann daher noch stark verändert werden. Die Stossrichtung ist aber begrüssenswert.

Glossar:

  1. Negativemissionstechnologien: Biologische und technische Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden.
  2. Netto-Null-Emissionen: Grösstmögliche Verminderung der Treibhausgas- emissionen und Ausgleich der Wirkung der verbleibenden Emissionen durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien. 
  3. Mantelerlass: Besteht zwischen den einzelnen Änderungen mehrerer Gesetze oder Verordnungen ein enger sachlicher Zusammenhang, können die Änderungen in einem Gesetz resp. einer Verordnung (sogenannte «Mantelgesetze» resp. «Mantelverordnungen») zusammengefasst werden. Der Mantelerlass erhält einen Sammeltitel, der das Thema der Änderungen umschreibt.