Sessionsbrief Sommersession
Liebe Leser*innen
Es ist wieder Zeit für den „Sessionsbrief“! Denn vor wenigen Stunden ist die Sommersession zu Ende gegangen. Es war wieder eine intensive Session. Ein Höhepunkt war sicher die Rede des ukrainischen Präsidenten Selenski an das Parlament. Die Session war auch deshalb bewegt, weil sie bereits stark vom Wahlkampf geprägt wurde (siehe Rentenalter-Chaos & Unterkünfte für Schutzsuchende). Von einigen wichtigen Ereignissen berichte ich euch im Folgenden.
Bevor ich euch aber wie üblich meine 5 „Tops und Flops“ präsentiere, möchte ich euch gerne noch ein kurzes „Update“ zu den kommenden Wahlen geben:
Wahl-News
Wie Ihr wahrscheinlich schon gehört habt, wurde ich von der SP Kanton St. Gallen erneut für die Nationalratswahlen nominiert. Ich freue mich sehr über das entgegen gebrachte Vertrauen und bin top motiviert einen engagierten Wahlkampf zu führen. Denn in Bern gibt es noch viel zu tun für mich. Es gilt den unsäglichen Autobahnanschluss mitten in der Stadt St. Gallen beim Güterbahnhof zu verhindern (mehr dazu im Sessionsrückblick), die Klimawende muss mit aller Kraft vorangetrieben werden, die Biodiversitätskrise erfordert entschlossenes Handeln, die Kaufkraft der breiten Bevölkerung muss erhalten bleiben, die Gleichberechtigung der Geschlechter ist weiterhin nicht vollzogen und die internationale Achtung der Menschenrechte und die internationale Solidarität sind heute stärker unter Druck als zu Beginn meiner Tätigkeit als Nationalrätin vor 10 Jahren.
In dieser Zeit ist es mir gelungen, meinen Einfluss im Rat auszuweiten und Akzente im Bereich Natur- und Umweltschutz, Menschenrechte und Gleichstellung zu setzen. Viele dieser Themen laufen auch abseits der Öffentlichkeit in Kommissionen oder Vereinen. Ein Beispiel ist der Atomwaffenverbotsvertrag: Immer wieder thematisierte ich in der APK-N (Aussenpolitische Kommission des Nationalrats) das Thema und brachte eine Mehrheit meiner Kolleg*innen dazu, in einem Brief an den Bundesrat diesen aufzufordern, endlich den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen! Ich möchte diese wichtige Arbeit in Bern in der nächsten Legislatur fortführen und würde mich daher sehr freuen, wenn du meinen Wahlkampf unterstützt.
Ab sofort können hier Werbematerialien (Flyer, Sticker, Postkaerten, Plakate) vorbestellt werden/ mein Wahlkampf unterstützt werden!
zum Sessionsrückblick:
Fünf Tops ✅
1. Lex Koller für Energieanlagen
Wichtige Energieinfrastruktur soll in einheimischer Hand bleiben – erste Hürde genommen
Der Nationalrat hat erfreulicherweise eine Motion von Jacqueline Badran zur Ausweitung der „Lex Koller“ auf schweizerische Kraftwerke und das Stromnetz mit 102:72 Stimmen angenommen. Schon heute sind internationale Hedgefonds aus profitorientierten Interessen an Schweizer Kraftwerken beteiligt, viele weitere Interessenten stehen bereit. Wir dürfen die Privatisierung und gewinnorientierte Internationalisierung der kritischen Infrastruktur nicht zulassen! Im Rat setzte sich eine „unheilige Allianz“ aus SP, Grünen und SVP gegen die FDP und Mitte und GLP durch.
2. Stimmrechtsalter 16
Erfreuliche Überraschung beim Stimmrechtsalter 16
Eigentlich waren die Vorzeichen für die Einführung des Stimmrechtsalter 16, für das aktive Wahlrecht (nicht aber das passive) nicht gut. Die Staatspolitische Kommission (SPK) wollte das Anliegen versenken, weil die von ihnen veranlasste Vernehmlassung bei den Kantonen mehrheitlich auf Ablehnung gestossen ist. Die Mehrheit des Nationalrats sprach sich aber mit 98:93 Stimmen für das Stimmrechtsalter 16 aus. Jetzt muss die Kommission doch eine Vorlage ausarbeiten. Die 1. Hürde ist also geschafft.
3. PUK für CS-Debakel
Deutliche Mehrheit will die Credit-Suisse Übernahme durch eine PUK untersuchen lassen
National- und Ständerat haben sich klar dafür ausgesprochen, dass eine PUK eingesetzt werden soll zur Untersuchung des CS-Debakel. Die SP hat sich stark dafür eingesetzt und den Druck in den letzten Monaten hochgehalten, so dass es für die bankennahen Parteien schwierig wurde, das Anliegen abzulehnen. Der Nationalrat stimmte am Ende sogar einstimmig zu, im Ständerat eine deutliche Mehrheit (37:5). Die Mitglieder der PUK wurden nun bestellt (von der SP Jositsch und Nordmann), die zu untersuchenden Fragen der PUK werden jetzt festgelegt, damit eine lückenlose Aufarbeitung möglich wird. Dafür müssen nicht nur die letzten zwei oder drei Jahre untersucht werden, sondern bereits die Zeit ab der UBS-Rettung von 2008. Die Regeln, dominiert von den Bürgerlichen, waren ganz klar nicht ausreichend. Auch die Rolle des Finanzdepartements und ihrem langjährigen Chef Ueli Maurer wird Gegenstand der Prüfung sein.
4. Sexualstrafrecht
Die Revision des Sexualstrafrechts wurde mit einer „nein-heisst-nein“ Lösung endgültig verabschiedet
Die letzten Differenzen mit dem Ständerat bei der Sexualstrafrechtsrevision sind nun bereinigt. Die „nein-heisst-nein“ Variante wurde nun endgültig verabschiedet. Das ist ein grosser Erfolg, den wir nicht zuletzt der feministischen Streik Bewegung zu verdanken haben.
5. Hilfsgelder für die Ukraine 🇺🇦
Vorerst 140 Millionen Franken Unterstützung für die kriegsgeplagte Ukraine
Die Schweiz unterstützt die vom Russland völkerrechtswidrig überfallene Ukraine mit einem Soforthilfeprogramm von vorerst 140 Millionen Franken ((26 Millionen davon für Moldawien, dass stark vom Krieg betroffen ist). Dieses Geld ist noch nicht für den langfristigen Wiederaufbau in der Ukraine vorgesehen, sondern für Hilfsgüter, Expertise, Schutzunterkünfte, Reparaturen von Spitälern und ziviler Minenräumung. Einzig die SVP stimmte dagegen, einfach so aus Prinzip.
Diese 140 Millionen sind aber im Vergleich mit anderen wirtschaftsstarken Ländern sehr bescheiden. Es gibt verschiedene Bestrebungen den Schweizer Beitrag zu erhöhen. So zum Beispiel eine Motion der APK die ein Hilfsprogramm von 5-Milliarden in den nächsten 5 bis 10 Jahren verlangt. Die Mehrheit in Kommission für diese Motion war mit 13:12 zugegebener Weise knapp. Im Nationalrat fiel das Anliegen dann aber durch. Die Mittepartei half nicht mehr mit. Geschlossen dagegen ist immer die SVP. Sie lehnt jeweils mit nationalistisch-populistischen Argumentationen jegliche Hilfe ab.
Ein grosses Ärgernis ereignete sich in der letzten Sessionswoche. Der Ständerat lehnte eine Taskforce zur Aufspürung russischer Oligarchengeldern und zur Umsetzung der Sanktionen deutlich (7:30) ab. Im Nationalrat hatten wir noch eine Zustimmung mit 101:84 Stimmen. Mit dem Nein des Ständerats ist die Taskforce endgültig versenkt. Insbesondere die Ständeräte der „Mitte“ (inkl. Würth/SG) stimmten einmal mehr konservativer als ihre Kolleg*innen im Nationalrat.
Am Donnerstag in der letzten Sessionswoche sprach dann nach einigen Kontroversen, die SVP versuchte die Rede mit einem Ordnungsantrag zu verhindern, der Ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum versammelten Parlament. Es war beeindruckend, Selenskyj live zu hören und die Eindringlichkeit seiner Worte für mehr Hilfe für sein kriegsgeplagtes Land zu spüren. Ein Land das für seine Integrität und Frieden kämpft. Er sprach auch die schwierige Situation in der Schweiz bezüglich der Waffenlieferungen an, setzte aber klar den Schwerpunkt auf Friedensförderung und humanitäre Hilfe, als wichtige Schweizer Angebote. Leider setzte die SVP ein peinliches Zeichen, indem sie der Rede fernblieb (bis auf 2 Vertreter). Die Ignoranz dieser Partei ist fast unerträglich.
Fünf Flops ❌
1. Autobahnausbau
Der Autobahnanschluss in St. Gallen nimmt zusammen mit anderen Ausbauprojekten eine weitere Hürde
Es ist unsäglich: Trotz Klimakrise und dem Wissen, dass mehr Strassen immer zu mehr Verkehr führen, hat der Nationalrat ein 5.3 Milliarden schweres Paket zum Ausbau von diversen Autobahnabschnitten in der Schweiz beschlossen. Unter anderen sind darin auch 1.2 Milliarden Franken für den Ausbau in St. Gallen enthalten. Damit soll die dritte Rosenbergröhre und die Spange Güterbahnhof mit neuem Halbanschluss gebaut werden – ein Autobahnschluss notabene, der den Verkehr mitten in die Stadt St. Gallen bringt. Da ich selbst nicht in der entsprechenden Kommission bin, bat ich Kollege Mathias Aebischer einen Antrag auf Streichung des Anschlusses beim Güterbahnhof zu stellen. Leider wurde der Antrag abgelehnt, ebenso unterlagen wir bei der Ablehnung des gesamten Pakets. Insgesamt wurden statt weniger noch zusätzliche Autobahnabschnitte aufgenommen. Für den Strassenbau verschwendetes Kulturland wird einfach so hingenommen. Auch, dass mehr Strassen mehr Verkehr bringen.
Wie geht es weiter beim Anschluss Güterbahnhof?
Beim Anschluss Güterbahnhof hat die Stadt noch die Möglichkeit entgegenzuwirken. Dazu braucht es aber den öffentlichen Druck und eine starke Bewegung gegen den Autobahnanschluss. Hier kann dem Verein gegen den Autobahnanschluss beigetreten werden.
Zunächst geht die Vorlage nun an den Ständerat. Stimmt dieser ebenfalls zu (was zu erwarten ist), hat der VCS ein Referendum gegen den Beschluss (betrifft alle Projekte) angekündigt. Ein schwieriges Unterfangen, aber es lohnt sich vielleicht, einmal eine Grundsatzabstimmung an den konkreten Vorhaben durchzuführen. Ich werde ein allfälliges Referendum tatkräftig unterstützen.
2. Kein Geld für Schutzsuchende
Populismus statt Realpolitik: Bürgerliche versenken Nachtragskredit und riskieren Chaos
Da mehr Schutzsuchende in die Schweiz kommen als bei der Budgetierung letzten Herbst angenommen wurde, braucht es mehr Geld. Einen Nachtragskredit von 139 Millionen für den laufenden Betrieb wurde zugestimmt (ausser von einer Partei….). Die Kapazität der Unterbringungsplätze muss aber zusätzlich ausgebaut werden, da jetzige Plätze in Mehrzweckhallen und Unterkünften der Armee zurückgegeben werden müssen. SP Bundesrätin Baume-Schneider präsentierte eine pragmatische Lösung. Es sollen Wohn-Container auf militärischem Terrain bereitgestellt werden. Dafür bräuchte es nochmals 132 Millionen Franken. Eine Mehrheit aus SVP, FDP und Mitte lehnte dies im Ständerat ab. Die Asylsuchenden könnten in Zivilschutzanlagen untergebracht werden. Diese Anlagen werden aber von den Kantonen als Reserven gebraucht. Es erreichten uns Briefe der kantonalen Direktorenkonferenzen KKJPD und SODK, die darauf hinwiesen. Der Nationalrat war mehrheitlich bereit, die Summe zu genehmigen. Dreimal ging das Geschäft hin und her zwischen den beiden Räten. Am Schluss lehnte der Ständerat sogar das Ergebnis der Einigungskonferenz ab. Jetzt ist das Geschäft vom Tisch. Sollte es im Herbst zu chaotischen Zuständen kommen im Asylwesen, wissen wir, bei welchen Parteien wir uns „bedanken“ müssen.
3. Biodiversitätsinitiative – indirekter Gegenvorschlag
Ständerat verweigert Debatte über Biodiversitätsschutz
Der Ständerat ist bedauerlicherweise nicht auf die Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) eingetreten, die als indirekter Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative gilt. Während wir im Nationalrat bereits früher Massnahmen gegen die Biodiversitätskrise forderten, verweigerte der Ständerat die Debatte gänzlich. Es sieht so aus, dass die Biodiversitätsinitiative ohne Gegenvorschlag vors Volk kommt.
4. Viel Geld für die Armee
Nationalrat will 600 Millionen mehr für das Militär ausgeben
Wo das Geld knapp ist, ist offensichtlich immer relativ: Für die Armee haben die sonst sparsamen Ratsrechten viel Geld übrig. So beschloss die bürgerliche Mehrheit (gegen SP, Grüne, GLP) bis Ende 2024 600 Millionen Franken mehr für die Armee auszugeben. Gesamthaft wird der Finanzrahmen für die Armee (2021-2024) von ursprünglich 21.1 Milliarden auf 21.7 Milliarden (!) erhöht. Es gäbe definitiv bessere Wege, so viel Geld auszugeben.
5. Rentenalter-Chaos
Die Bürgerlichen liebäugeln mit einer Rentenaltererhöhung, lassen es dann aber doch sein
Chaos pur herrschte bei der Renteninitiative der Jungfreisinnigen, welche das Rentenalter an die Lebenserwartung koppeln will. Zuerst beschloss der Nationalrat mit einer Stimme Unterschied einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten, mit welchem das Rentenalter erhöht werden sollte. Der Ständerat lehnte dies dann knapp ab. In der 2. Runde im Nationalrat, nach dem sich ein Teil der Bürgerlichen auf das Versprechen, nach der AHV-Abstimmung das Rentenalter nicht schon wieder zu erhöhen, besonnte, wurde der Gegenvorschlag auch vom Nationalrat abgelehnt. Wahrscheinlich fürchteten sich die Parteistrateg*innen der Mitte, GLP und SVP davor, im Wahljahr für eine Rentenaltererhöhung einzustehen. Die Initiative der Jungfreisinnigen wurde dann mit 133:40 (16 Enthaltungen) zur Ablehnung empfohlen.
Drei Fragen an den Bundesrat
Während der Session bietet sich immer die Möglichkeit unseren Bundesrätinnen und Bundesräten in der Fragestunde fragen zu stellen. Ich nutzte diese Möglichkeit in dieser Session gleich dreifach:
1. Fragte ich Bundesrat Rösti, ob die massive Erhöhung der GA-Preise mit den Schweizer Klimazielen vereinbar sei. Rösti antwortete ausweichend und schob die Verantwortung auf die Alliance Swiss Pass. Das ist eine fadenscheinige Argumentation, denn der Bund hat über die Gewinnvorgaben an die SBB und über die Finanzierung der Infrastruktur sehr wohl Möglichkeiten auf die Preisgestaltung einzuwirken. In den letzten Jahrzehnten ist der ÖV verglichen mit dem motorisierten Individualverkehr massiv teuer Geworden (siehe Grafik: Preisüberwacher). GA-Preise von über 4`000 Franken sind nicht tragbar – eine deutliche Reduktion der ÖV Preise ist angebracht! Zur vollständigen Antwort.
Grafik: Preisüberwacher
2. Habe ich SP Bundesrätin Baume-Schneider gefragt, ob Massnahmen gegen das sogenannte „Doxing“ ergriffen werden. Doxing meint das absichtliche Veröffentlichen von persönlichen Daten in sozialen Medien um Personen einzuschüchtern oder zu bedrohen. Bekanntlich hat dies ein Schweizer Nationalrat kürzlich im Rahmen des „Gender-Tags“ von Stäfa gemacht. Bundesrätin Baume-Schneidet teilte mit, dass die die Thematik sehr ernst nimmt und bereits erste Massnahmen gegen digitale Gewalt geprüft werden. Zur vollständigen Antwort.
3. Fragte ich Bundesrat Rösti vom UVEK, ob die Schweiz sich auf internationaler Ebene für ethische Regelungen im Umgang mit KI einsetzt. Rösti antwortete, dass der KI-Ausschuss des Europarates unter Schweizer Vorsitz den Auftrag habe, das erste verbindliche internationale Abkommen zu KI zu verhandeln. Die möglichen Optionen und den allfälligen regulatorischen Handlungsbedarf für die Schweiz im Bereich KI werde der Bundesrat bis Ende 2024 aufzeigen. Zur vollständigen Antwort.
Das wars von meiner Seite. Ich wünsche euch allen schöne Sommertage und freue mich wie immer von euch zu hören!
Herzliche Grüsse
Claudia Friedl