Sessionsbrief Wintersession
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leserinnen und Leser Ich muss euch gleich gestehen, dieser Sessionsbrief wird schmaler ausfallen, als üblich. Es ist jetzt einfach Zeit, etwas auszuruhen. Die Weihnachtszeit ist dafür wie geschaffen. Mit dieser Session begann die neue Legislatur. Eine sehr spannende Situation. All die neuen Gesichter und Talente kennenzulernen macht Freude. Voranschlag 2024: Die Wintersession ist immer auch die Budgetsession. Das, was wir Wochen lang in der Finanzkommission vorbereitet haben, geht nun durch die Mühlen der beiden Räte. Es war hart, denn über alle nicht streng gebundenen Ausgaben gab es ein Minus von 2 %. Rückgängig gemacht wurde diese Sparerei an verschiedenen Stellen mit besonders grosser Lobby. So bei den Direktzahlungen in der Landwirtschaft: +54 Millionen bei insgesamt 2.8 Milliarden. Zusätzliches Geld wurde auch für die Weinwerbung und den Anbau von Zuckerrüben gesprochen. Wobei man sich wirklich fragen muss, ob die Förderung von Alkoholkonsum und Zucker eine Aufgabe des Staats sein soll. Gestrichen wurde bei den Sozialleistungen für die Flüchtlinge (-30 Millionen, da braucht es realistischer Weise dann einfach einen Nachtragskredit, weil diese Ausgaben ja nicht einfach weggespart werden können), die Entwicklungszusammenarbeit (-47 Millionen) und der Humanitären Hilfe. Erhöhungsanträge waren chancenlos. Bei der Humanitären Hilfe wollte die SVP aus heiterem Himmel zusätzlich 20 Millionen streichen und zwar explizit den Jahresbeitrag der UNWAR, dem Uno-Hilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge. Und das in der jetzigen Zeit, in der uns täglich die schrecklichen Bilder von der Not der Zivilbevölkerung im Gazastreifen erreichen. Entsprechend emotional war die Debatte. Diese Kürzung war sehr umstritten. Die Mehrheit im Nationalrat (SVP, FDP, Mitte) wollte sie, der Ständerat lehnte sie ab. Am Schluss musste die Einigungskonferenz entscheiden: -10 Millionen für die Humanitäre Hilfe allgemein und den Auftrag an die Verwaltung, vor jeder Zahlung genau abzuklären, an wen die Zahlungen gehen. Na ja, das wird eigentlich heute schon getan. Weit auseinander gingen die Vorstellung beim Finanzplan der Armee. Während alle sparen mussten, stockte der Bundesrat beim Armeebudget für 2024 um 300 Millionen auf rund 5.5 Milliarden auf. Kürzungen wurden von Mitte-Rechts alle abgelehnt. Im Finanzplan 2025-2027 wird nach Bundesrat und der Mehrheit des Nationalrats das Wachstum bis 2035 linear weitergehen, bis 1% des BIP erreicht ist. Die Mehrheit im Ständerat wollte dieses Ziel bereits 2030 erreichen. Nur mit grossem Glück konnten wir das im Nationalrat mit Stichentscheid des Präsidenten bei 97:97 Stimmen verhindern. Am Schluss wurde der Entscheid der Einigungskonferenz, welcher der tiefere Betrag war, mit 115:78 Stimmen angenommen. Ohne diesen horrenden Anstieg der Armeeausgaben könnte das Gesamtbudget locker im Gleichgewicht gehalten werden. Um ein ausgeglichenes Budget innerhalb der Schuldenbremse zu erhalten, musste am Schluss der Bahninfrastrukturfonds um 38 Millionen gekürzt werden, was bei einem Betrag von über 5.9 Milliarden für ein Jahr verkraftet werden kann. Zusammenfassend: Das ist nicht unser Budget: Die Armeeausgaben sind immer noch viel zu hoch, die Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe werden gekürzt. Bei Bildung, Natur und Eisenbahninfrastruktur wird gespart. Es gibt kein Geld für Zukunftsprojekte. Am letzten Donnerstag der Session wurde das Budget von rund 83 Milliarden mit 109:85 Stimmen verabschiedet. Asylpolitische Geschäfte im Nationalrat: Es ist unübersehbar, die Rechte ist im Vormarsch. Sie wird unterstützt von der FDP und leider auch teilweise von der Mitte. Zahlreiche Vorstösse zur Verschärfung des Asylrechts lagen auf dem Tisch und wurden überwiesen. Immerhin war die von der SVP erzwungene Sonderdebatte über die «Korrektur der Praxisänderung des SEM in Bezug auf Asylgesuche von Afghaninnen» nach einem Votum beendet, weil sich ausser die SVP niemand daran beteiligt hatte. Das Dossier wurde an die Kommission überwiesen, die sich nun dem Thema annehmen muss. Es geht dabei darum, dass Afghaninnen Asyl erhalten und nicht nur eine vorläufige Aufnahme. Das bedeutet, der Familiennachzug wird einfacher und genau das wollen die Bürgerlichen nicht. Kriegsmaterialgesetz: Emotional geführt wurde auch die Diskussion über eine Motion, die den entscheidenden Absatz im Kriegsmaterialgesetz KMG streichen will, welcher mit dem Gegenvorschlag zur Korrektur-Initiative eingeführt wurde und der damals den Ausschlag gab, dass die Initiative zurückgezogen wurde. Inhaltlich bedeutet es, dass der Bundesrat wieder die Kompetenz erhält, von den Bewilligungskriterien des KMG abzuweichen und Waffen auch in Länder exportieren zu lassen, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Links-grün hatte keine Chance, das zu verhindern. Es ist eine Lockerung zur Freude der Rüstungsindustrie, nicht für die Ukraine, denn die Wiederausfuhr ist nicht erwähnt. Und es ist ein Affront für die Korrekturinitiant:innen, weil genau der Gesetzesteil wieder eingeführt wird, dessen Streichung zum Rückzug der Initiative geführt hatte. High light: Einen wichtigen Erfolg konnten wir für die Ukraine verbuchen. Ich durfte den Vorstoss der SP-Fraktion im Rat vertreten und hatte Erfolg. Der Rat überweist die Motion der SP-Fraktion, welche verlangt, dass das VBS zusammen mit schweizerischen Fachorganisationen die Ukraine bei der humanitären Minenräumung unterstützt. Es ist unvorstellbar, aber rund 250 000 Quadratkilometer oder 40 Prozent des Landes sind mit Minen oder explosiven Kriegsüberresten verseucht. Die Schweiz liefert keine Waffen, aber sie kann humanitäre Hilfe leisten, es sei denn, die Bürgerlichen fahren dieses Instrument irgendwann an die Wand. CO2-Gesetz: Vor 2 Jahren scheiterte das CO2-Gesetz zu unser aller Bedauern knapp. Das Fazit war damals: Zu viele Interessen und Gegeninteressen wurden geweckt, zu viel Lenkung und zu wenig Förderung. Jetzt hat die Umweltkommission des Nationalrats ein solides, relativ unspektakuläres Gesetz geschneidert, das alles was heute im CO2-Gesetz bereits ist, aufnimmt, die Massnahmen aber anpasst, und klar auf eine Halbierung des CO2-Ausstosses gegenüber 1990 ausrichtet. Einige Fördermassnahmen, die jetzt schon bestehen, würden sonst jetzt auslaufen. Ein paar Neuerungen sind auch drin, z.B. im Bereich Förderung von E-Ladestationen für Autos. Eine Privatjetabgabe wurde von der Mehrheit wieder aus dem Gesetz geworfen. Interessant wird die angestossene Diskussion über erneuerbare und emissionsarme Treibstoffe. Woraus werden diese gemacht? (Atom-)Strom, Ökostrom, Biomasse? Da ist man erst am Anfang der Diskussion, die wird aber sicher Fahrt aufnehmen, weil es da klar Interessenkonflikte geben wird. Energiegesetz: Hier geht es um die Beschleunigung der Verfahren zur Erstellung von Energieanlagen. Niemand hat etwas dagegen, wenn Verfahren nicht endlos lange dauern, solang die Gesetze eingehalten werden. Aber die SVP und FDP nutzten die Vorlage, um das ungeliebte Verbandsbeschwerderecht stark einzuschränken. Auf Antrag von Susanne Vincent Stauffacher sollte das Recht nur noch Verbänden mit mehr als 50’000 (!) Mitgliedern zugestanden werden. Ein Affront! Das Vorhaben wurde mit 96:94 und 6 Enthaltungen ganz knapp abgelehnt. Die gleichen Kreise verlangten auch eine Aufhebung des Verbots vom Neubau von Atomkraftwerken. Dieser Antrag wurde mit 101:90 bei 5 Enthaltungen ebenfalls nur knapp abgelehnt. Das sind keine guten Vorzeichen für die künftige Energiediskussion. Jetzt sind wir einmal gespannt, was der Ständerat daraus macht. EFAS (Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen): Was lange wärt, wird endlich gut? Über 10 Jahre wurde versucht in dieser Sache vorwärts zu kommen. Bei den Leistungen im stationären Bereich übernehmen die Kantone 55 Prozent, die Versicherungen 45 Prozent, im ambulanten Bereich zahlen die Versicherungen und damit die Prämienzahler:innen 100 Prozent. Dies soll sich ändern. Im heutigen System führt die eigentlich gewünschte Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen zu einer ständig zunehmenden Mehrbelastung der Prämienzahler:innen, während die Steuerzahler:innen entlastet werden. Es ist kompliziert. Die 2 wichtigsten Ziele der Vorlage sind: Steuerfinanzierten Teil erhöhen, Fehlanreize stationär vor ambulant verhindern. Für Nichtmitglieder der Kommission ist es recht schwierig, hier eine Beurteilung zu machen. Ich vertraue da auf das Fachwissen von Barbara Gysi, die eng bei der Erarbeitung dabei war und eine Entlastung der Prämienzahler:innen erwartet. Es muss aber auch betont werden, dass die Vorlage kein Instrument der kostendämpfenden Massnahmen im Gesundheitswesen ist und es ist auch keine Umsetzung der Pflegeinitiative. In der Fraktion waren wir uneins mit klarer Tendenz zu einem Ja. Weihnachtliche Stimmung im Bundeshaus. Gesellschaftliches: Da war aus SP-Sicht einiges los. Eric Nussbaumer und Eva Herzog wurden als Präsident:innen ihres Rates gewählt und in Basel gefeiert. Und am 13. Dezember wählte die Bundesversammlung Beat Jans in den Bundesrat. Wir waren mit 6 Top-Kandidat:innen in die Ausscheidung gestartet und konnten am Ende mit Beat Jans und Jon Pult zwei tolle Kandidaten präsentieren. Alles in allem verliefen die gesamten Wahlen unspektakulär, obwohl sie Unsicherheitsfaktoren enthielten. So war sicher eine gewisse Anspannung vorhanden, da ein Grüner, Gerhard Andre, Cassis angreifen wollte, was durchaus einen Strudel für unsere Kandidaten und Kandidatin hätte auslösen können. Auch Daniel Jositsch war wieder im Rennen und erhielt 70 Stimmen. Im 3. Wahlgang gewann Beat Jans die Wahl und ist neuer Bundesrat. In Basel wurde er dann ausgiebig gefeiert mit Trommeln und Pfeifen und anderen kulturellen Darbietung für uns Geladenen und die Bevölkerung. Jetzt sind die Gremien von Parlament und Regierung wieder komplett. Ich wünsche allen ein geruhsames Ausklingen des alten Jahres, schöne Festtage und neuen Schwung im kommenden Jahr. Herzlichst Claudia Friedl |