Sessionsbrief Herbstsession
Liebe Politik-Interessierte, liebe Leser*innen
Am Freitag ist eine intensive Session sehr emotional zu Ende gegangen. Es war die letzte vor den anstehenden Wahlen am 22. Oktober. Die nicht mehr Antretenden wurden einzeln verabschiedet und jeder und jedem ging wohl durch den Kopf, ob sie oder er im Dezember wieder dabei sein wird. Gerne gebe ich euch wie gewohnt mit dem «Sessionsbrief» einen persönlichen Überblick aus Bern.
Bevor ich aber zum Rückblick auf die Session komme, möchte ich euch gerne noch ein kurzes „Update“ zu den kommenden Wahlen geben:
Wahl-News – es wird knapp!
Wahlkampfauftakt auf dem Chäserrugg mit der Frauenzentrale St. Gallen.
Vermutlich habt ihr von den diversen Wahlumfragen bereits gelesen: Es droht ein Rechtsrutsch in der Schweiz. Die SVP schafft es mit ihrer ausländerfeindlichen Politik Ängste zu schüren und ihre Wähler*innen zu mobilisieren. Für die SP sieht es zwar auch nicht schlecht aus, aber mein Sitz im Nationalrat hängt auch mit den Listenverbindungen der SP Kanton St. Gallen mit den Grünen und der GLP zusammen. Heute hat dieses Lager 4 Sitze im Nationalrat. Mit den derzeitigen Umfragen ist es alles andere als sicher, dass es nach den Wahlen noch gleich viele Sitze sein werden.
Was kannst du tun um meinen Sitz im Nationalrat zu sichern?
1. Wähle die SP-Liste 3 in den Nationalrat:
Damit die SP Kanton St. Gallen weiterhin durch Barbara Gysi und mich in Bern vertreten werden kann, brauchen wir möglichst viele Listenstimmen für die SP! Wenn du mich maximal unterstützen möchtest, wählst du deshalb ausschliesslich Kandidierende der SP-Liste 3. Du findest mich auf der SP Liste 3a.
2. Mobilisiere dein Umfeld:
Das linke Lager liegt derzeit vor allem zurück, weil die Mobilisierung nicht ausreichend gelingt. Es würde mich darum sehr freuen, wenn du dein Umfeld über WhatsApp, E-Mail oder Social-Media zum Wählen aufrufst.
3.Testimonial erstellen:
Sende mir jetzt dein Bild und dein Statement zu, damit ich in den Sozialen Medien Werbung machen kann. Hier ein Beispiel von Eva Crottogini aus St. Gallen:
Vielen Dank für deine Unterstützung!Und jetzt zum Sessionsrückblick:
175 Jahre Bundesverfassung
Gute Idee – mässige Umsetzung
Am 2. Tag der Session, am 12. September, fand ein Festakt zum 175 Jahre-Jubiläum der Bundesverfassung statt. Vor genau 175 Jahren gab sich die Schweiz nach einem kurzen Bürgerkrieg zwischen den katholisch-konservativen und den liberalen Kantonen eine der modernsten Bundesverfassungen der damaligen Zeit. Der Festakt war würdig und auch ein bisschen frech. Nur, war der Festakt wie schon die Verfassung, enorm männerlastig. Die Präsidien von Nationalrat, Bundesrat und Bundesgericht sind mit Männern besetzt, sie alle sprachen zu uns. Auch die Moderatoren und der Festredner waren Männer. Und die Frauen? Sie durften singen und taten dies auch gut. Ich finde das eine vertane Chance, gerade auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Frauen bis 1971 auf eine Mitbestimmung in diesem so modernen Staat warten mussten.
175 Jahre Bundesverfassung in der Schweiz. Für einmal lag das Original im Nationalratssaal auf.
Kaufkraft – Gesundheitskosten – Mieten
Bürgerliches Trauerspiel statt Lösungen
Ein Thema, dass uns durch die Session begleitete, war die Debatte um die Kaufkraft. Es ist eminent wichtig, dass in Zeiten steigender Preise die Kaufkraft der Menschen gestärkt wird. Nur so bleibt unsere KMU geprägte Volkswirtschaft stark. Denn die Menschen müssen das nötige Geld haben, um in ihre lokale Bäckerei, zu ihrem Coiffeur oder auch einmal in ihr Lieblingsrestaurant zu gehen.
Verschiedene Rezepte zu den Gesundheitskosten
Zum einen waren die Krankenkassenprämien im Fokus. Die Diskussion war: Was ist wichtiger, die Leute rasch bei den Prämien entlasten (SP Prämienentlastungsinitiative) oder die Ausgaben für das Gesundheitswesen drosseln (Mitte Kostenbremseinitiative): Beides ist wichtig, aber das Ausspielen der beiden Themen gegeneinander der Bürgerlichen ist scheinheilig: Praktisch alle Massnahmen zur Kostendämpfung, die in den letzten Jahren aus dem Gesundheitsdepartement kamen, wurden vom Parlament abgewürgt. Zu jedem Thema sitzt eine gut bezahlte Lobbyst*in im Parlament: Für die Generikahersteller, die Pharma- oder die Krankenkassenvertreter*innen, die Privatspitäler etc. Die Kostenbremseinitiative der Mitte will die Gesundheitsausgaben an die Entwicklung der Löhne und das BIP binden, ohne dass Vorschläge gemacht wurden, wie das gehen soll. Selbst der Bundesrat hielt früher bereits fest, dass ein solches System zu einer Rationalisierung und 2-Klassenmedizin führen wird. Wir konnten aber eine Vorlage als Gegenvorschlag diskutieren, die einige Elemente zur Kosteneindämmung enthält und die als Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative erarbeitet wurde. In der Schlussabstimmung wurde die Mitte-Initiative mit 110:31 bei 55 Enthaltungen abgelehnt. Unsere Fraktion enthielt sich der Stimme, um ein Signal auszusenden, dass wir nicht gegen kostendämpfende Massnahmen sind. Ich hatte für ablehnen plädiert, weil die Lösung, so wie sie daherkommt, grundsätzlich nicht richtig ist. Es wurde auch ein Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative ausgearbeitet, der einige Bestimmungen zur Kosteneindämmung enthält und dem Bundesrat einige Kompetenzen diesbezüglich gibt, und deutlich mit 163:31:2 angenommen wurde, dagegen waren die Grünen.
Die SP-Prämienentlastungsinitiative welche will, dass nur noch maximal 10% vom Einkommen an die Krankenversicherer bezahlt werden muss, wurde leider vom Parlament mit 123:70 und 3 Enthaltungen deutlich abgelehnt. Auch zu unserer Initiative wurde ein Gegenvorschlag ausgearbeitet, der aber von Bürgerlicher Seite im Ständerat (Beni Würth) so gekürzt wurde, dass nur noch rund 375 Millionen mehr an Prämienverbilligungen zur Verfügung stehen werden. Ursprünglich ging man von einem Plus von 2 Milliarden aus. SP, Grüne und GLP kämpften gegen diesen tiefen Betrag. Bei der Schlussabstimmung stimmten dann alle zu, weil es nur ein ja oder gar nichts gegeben hätte. Aber unter diesen Umständen wird die SP die Initiative nicht zurückziehen und so wird es nächstes Jahr eine Volksabstimmung darüber geben.
Im Gesundheitsbereich gibt es verschiedene weitere heisse Eisen. Eines davon ist EFAS (Einheitliche Finanzierung ambulant -stationär). Diese Vorlage ist noch in Diskussion, aber die Bürgerlichen haben es bereits geschafft, Privatspitäler, die in keiner Spitalliste der Kantone aufgeführt sind, mit neu zusätzlichen 150 Millionen aus der Grundversorgung abzugelten. So geht das mit den bürgerlichen Sparvorschlägen……
Das Thema Gesundheitskosten bleibt auf jeden Fall ein heisses Eisen, für die Prämienzahler*innen und das Parlament.
Mieten
Ein Debakel war die Sonder-Debatte rund ums Thema Mieten. Neu wird es einfacher, Mieter*innen bei «Eigenbedarf» zu künden und das Untervermieten von einem Zimmer etc. wird umständlicher. Es braucht künftig eine schriftliche Zustimmung des Vermieters. Als Casafair-Präsidentin, dem Verband der Wohneigentümer*innen mit Verantwortung, habe ich diese Themen auch intern diskutiert. Es sind wirklich nicht die grossen Dinge, die da ändern. Eigentlich sind sie überflüssig. Aber die Hauseigentümerlobby rund um Philipp Bregy hat weitere solcher Angriffe geplant. Schritt für Schritt soll das Mietrecht nach ihren Vorlieben angepasst werden. Ein Ziel, das sie schon lange haben, ist die Etablierung der Marktmiete, d.h. die Mieten orientieren sich am Markt anstatt an den effektiven Kosten. Wohnen ist ein Grundrecht. Die Bereicherung der Immobilienkonzerne auf Kosten der breiten Bevölkerung ist fatal. Linke Vorstösse, welche regelmässige Mietpreis- und Renditekontrollen, mehr günstigen Wohnraum oder eine Abschwächung des Referenzzinssatzes auf die Mietpreisentwicklung forderten, wurden allesamt abgelehnt.
Steuergeschenke für die Reichsten
Trotz angespannter Finanzlage gab es einmal mehr Steuergeschenke für die Reichsten: So sollen höhere Abzüge bei den Steuern für Krankenkassenprämien und für Zinsen von Sparkapitalien gemacht werden können. Das ist eine Art von indirekter Subventionierung. Diese kommt in erster Linie den Reichsten zugute. Der Steuerverlust beträgt rund 400 Millionen. Eine völlig unnötige Massnahme.
Energie, Natur und Landschaft
Das Gute vorweg: Die Wiederbelebung der Atomkraftwerke (Vorstoss der SVP) erreichte keine Mehrheit. Auch die Mitte und die FDP waren nicht geschlossen dafür, was mich angesichts der momentanen Rhetorik auf den Energiepodien doch etwas überrascht hat.
Milliarden für Autobahnen
Tragisch ist jedoch der Ausbau diverser Autobahnprojekte für 5,3 Milliarden Franken mitten in der Klimakrise. Da hier verschiedene Regionen ihre Interessen durchbringen wollten, war es sehr schwierig die Vorlage zu bekämpfen. Der Ausbau betrifft auch den Ausbau in der Stadt St. Gallen mit der 3. Röhre und dem unnützen Autobahnanschluss beim Güterbahnhof. Hoffnung, das Projekt zu verhindern, besteht noch Dank dem Referendum des VCS gegen den Ausbau. Dieses kann in wenigen Tagen unterschrieben werden. Der Nachteil ist, dass nur gegen oder für das gesamte Paket gestimmt werden kann. Im Rat fiel das Ergebnis deutlich aus mit 107:87:1, dagegen waren SP, Grüne und GLP.
Wie das Parlament in der Frage der Autobahnen tickt zeigt ein weiterer Entscheid: Die A1 zwischen Bern und Zürich sowie Lausanne und Genf soll auf «mindestens» sechs Spuren ausgebaut werden! Das fand mit 94:87:4 eine Mehrheit.
Mantelerlass
Beim Energiemantelerlass zur Versorgungssicherheit mit nachhaltiger Energie konnte nach Monate langem Ringen ein knapp akzeptabler Kompromiss erzielt werden. Stark war der Wille, möglichst alles bewilligen zu lassen, mit wenig Auflagen für Mensch und Umwelt. Dort, wo es um Pflichten für Bauherren oder gar Einsparungen ging, wurde geklemmt. So lehnten die Bürgerlichen beispielsweise eine Solarpflicht bei Neubauten weitgehend ab. Diese gilt nur bei Bauten mit über 300 Quadratmetern Fläche. Eine Pflicht offene Parkplätze mit Solarzellen zu decken besteht erst einer Fläche von 1000 m2. Der Ausbau diverser Wasser- Wind- und Solarprojekten wird nun an die Hand genommen. Das ist grundsätzlich zu begrüssen, jedoch wird der Ausbau der Energieproduktion dem Naturschutz gleichgestellt und es braucht immer noch eine Interessenabwägung. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nicht nur in einer Klimakrise, sondern auch in einer Biodiversitätskrise stecken!
Immerhin konnten wir im Parlament verhindern, dass auch Anlagen in «Biotopen von nationaler Bedeutung» gebaut werden können, sowie in Reservaten von Zugvögeln. Auch wurden die Restwasservorschriften nicht so stark gelockert wie ursprünglich von den Bürgerlichen gefordert. Der Kompromiss besteht darin, dass sie bei einer drohenden Strommangellage reduziert werden dürfen. Das Gesetz, ein hart erkämpfter Kompromiss, ging in der Schlussabstimmung mit 177:19 Stimmen durch. Nein stimmten Vertreter*innen der SVP.
Raumplanungsgesetz: Zähe Diskussionen um den Landschaftsschutz
Die Revision des Raumplanungsgesetz ist seit Jahren ein Dauerthema. Hier kommt die Politik nur langsam voran. In dieser Runde ging es um Bauten ausserhalb der Bauzone. Es ist auch der indirekte Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative. Das Ziel dieser ist die Stabilisierung der Anzahl der Gebäude ausserhalb der Bauzonen. Heute werden viele ehemalige Ställe zu Wohnhäusern und Ferienwohnungen etc. umgebaut. In der Landwirtschaftszone sollten aber nur Gebäude stehen, die Standort gebunden sind, d.h. für landwirtschaftliche Nutzung benötigt werden. Das zum Schutze des Kulturlands und der Landschaft. Was von bürgerlicher Seite kam, lief auf einen Frontalangriff hinaus, indem alle bereits aufgestellten Bauten auch hätten umgenutzt werden können. Das bedeutet immer auch Erschliessung mit Wasser, Abwasser und Strasse und ÖV. Das schlimmste konnte jedoch mit der Landschaftsinitiative als Druckmittel abgewendet werden. Neu müssen die Kantone Flächen, welche ausserhalb der Bauzone liegen und genutzt werden, gegenüber dem Bund begründen und diese an anderer Stelle kompensieren. Ausgehandelt wurden zudem Abbruchprämien, damit nicht mehr gebrauchte Gebäude rückgebaut werden. Die Ratslinke wollte zudem die Aufnahme einer Rückbaupflicht schon bei der Baubewilligung für Gebäude (zum Teil gibt es die bereits), wie etwa alte Seilbahnstationen, die ihren Dienst erwiesen haben. So müssten beispielsweise Skigebiete die Rückbaukosten einkalkulieren. Diese allgemeine Rückbaupflicht wurde jedoch von der bürgerlichen Mehrheit abgelehnt. Es war ein langes Hin und Her, so erstaunte es mich doch, dass in der Schlussabstimmung das Geschäft mit 196:0 Stimmen durchging.
Biodiversitätsinitiative
Der Vorschlag für einen indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats fiel im Ständerat im Frühling durch, nachdem er vom Nationalrat bereits letztes Jahr diskutiert worden war. Der Ständerat lehnte das Eintreten ab. Jetzt hat die Umweltkommission des Nationalrats nochmals einen Anlauf genommen und einen eigenen indirekten Gegenvorschlag erarbeitet. Der Nationalrat stimmte jetzt mit 99:77 bei 6 Enthaltungen für Eintreten. Jetzt ist wieder der Ständerat dran. Wenn er nicht eintritt, ist die Vorlage weg und die Initiative kommt ohne Gegenvorschlag vor das Volk. Das Hauptargument der Bürgerlichen gegen die Vorlage ist der Verbrauch von landwirtschaftlichem Boden. Dabei geht es gar nicht nur um eine Vergrösserung der Fläche, sondern auch um eine qualitative Verbesserung der Schutzflächen. Der Kampf für den Erhalt der Kulturlandes ist oftmals scheinheilig. Denn sobald es um neue Industrieareale geht, zählt der Landverschleiss nicht mehr viel.
Vorstösse
In den 3 Wochen Session wurde auch eine riesige Zahl von persönlichen Vorstössen behandelt. Wenig erfolgreich war ich mit meinen beiden persönlichen Vorstössen zur Bekämpfung der Geldwäscherei, wo es einerseits um die Unterstützung der Zivilgesellschaft und andererseits um die Offenlegung der Verkaufspreise von Immobilen im Zusammenhang mit Geldwäscherei ging. Auch ein Postulat über die Finanzierung des Regime Putins seit 2014 wurde nicht überwiesen. Das sind wichtige Themen und da werde ich dranbleiben.
Das wars von meiner Seite. Ich wünsche euch allen schöne Herbsttage!
Und bitte denkt daran: Wählen nicht vergessen :)!
Herzliche Grüsse
Claudia Friedl