Sessionsbrief Frühjahr

Liebe Leser:innen
Die Frühlingssession ist immer irgendwie speziell. Gestartet noch im Februar, quasi in den Winterferien, endet sie in den lauen Frühlingstagen, wo die Tage länger werden und die ersten Blätter spriessen (viel zu früh!). Die diesjährige Frühjahrssession war der Ort, nun all die neuen Parlamentarier:innen kennenzulernen. Politisch zeichnet sich eines ab: Das neue Parlament ist deutlich rechter geworden. Das ist nicht nur eine Folge der Sitzverluste bei Grünen und GLP, sondern auch weil die Mitte deutlich nach rechts gerutscht ist.  

kurz & kompakt:                                                                                          

  • Die neuen Machtverhältnisse im Parlament erschweren die Arbeit massiv. Die Progressiven Kräfte sind fast immer in der Minderheit.
  • Auf die erfolgreiche Abstimmung über die 13. AHV-Rente reagieren die Bürgerlichen überempfindlich und drohen mit Einsparungen im sozialen Bereich.
  • Ökologische und Klima-Themen haben im neuen Parlament einen sehr schweren Stand. Sowohl bei der Biodiversität, beim CO2-Gesetz, beim Lärmschutz, bei den Temporeduktionen, im Landschaftsschutz oder beim Zweitwohnungsgesetz erlitt das linksgrüne Lager bittere Niederlagen.

Umwelt

CO2-Gesetz
Nachdem die Stimmbevölkerung am 13. Juni 2021 die noch unter Simonetta Sommaruga entstandene umfassende Version des CO2-Gesetzes knapp abgelehnt hatte, berieten wir in dieser Session die Neuauflage unter der Federführung von Bundesrat Albert Rösti. Der bereits harmlose Gesetzesentwurf wurde im Parlament von Nationalrat und insbesondere vom Ständerat nochmals massiv geschwächt, vor allem, was die Inlandziele und die Emissionen bei den Fahrzeugen betrifft. Das vom Volk angenommene Klimaschutzgesetz mit dem Ziel von Netto-Null Klimagasemissionen im Jahr 2050 kann mit diesem Gesetz nicht erreicht werden. Wir mussten trotzdem zustimmen, weil nur so gewisse Förderprogramme im Bereich erneuerbarer Energien und der Gebäudesanierung weiterlaufen können. Negativ ist, dass keine neuen Lenkungsabgaben auf fossile Energien erhoben werden. Ebenfalls keine Abgaben erhoben wird auf Flugreisen und Privat- und Business-Jets. Das Parlament wird früher oder später nachlegen müssen und das Gesetz verschärfen, ansonsten sind die Klimaziele für die Schweiz schlicht nicht erreichbar.

Lärmschutz
Dass Lärm krank machen kann, ist hinlänglich bekannt. Unter dem Vorwand der Wohnungsknappheit, defacto jedoch auf Druck der Bau Lobby zeichnet sich nun eine massive Verschlechterung im Bereich des Lärmschutzes ab. Bis anhin mussten Wohnungen zumindest über gewisse Räume verfügen, die bei offenem Fenster die Lärmschutzvorgaben einhalten. Der Ständerat möchte nun jegliche Vorgaben in Bezug auf den Lärmschutz aufheben, sofern eine Wohnung über eine sogenannte «Komfortlüftung» verfügt. Im Nationalrat entschied, dass gerade noch an einem Fenster pro Wohnung die Vorgaben eingehalten werden müssen. Beide Vorschläge bedeuten eine massive Verschlechterung für betroffene Personen, vor allem auch beim Fluglärm. Auch die Massnahme Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts, soll nicht erlaubt werden. Die, die solche Vorschriften erlassen, wohnen selbst kaum an solchen Lagen.

Biodiversität
Bei der Beratung der Pestizid- und Trinkwasser-Initiativen versprach der Bundesrat, dass als Massnahme die Biodiversitätsflächen in der Landwirtschaft auf 3.5 Prozent erhöht werden. Bundesrat Guy Parmelin setzte sich für dieses Versprechen ein, hatte aber keine Chance gegenüber der bürgerlichen Mehrheit, inklusive Mitte, die nun per Gesetzesänderung eine massive Kürzung verlangen.

Zweitwohnungen
Die ebenfalls vom Stimmvolk angenommene Zweitwohnungsinitiative wird abgeschwächt. Mit 121:64 Stimmen bei 5 Enthaltungen entschied der Nationalrat, dass vor dem Abstimmungsjahr 2012 gebaute Zweitwohnungen um 30% erweitert werden dürfen. Nicht etwa für Erstwohnungen, sondern ebenfalls für neue Zweitwohnungen. Damit wird nichts gegen die Wohnungsnot der einheimischen Bevölkerung getan.

Gesellschaft/ Soziales

Stimmrechtsalter 16
Mit 106 zu 84 Stimmen lehnte der Nationalrat eine Senkung des Stimmrechtsalter auf 16 Jahre ab. Ein Argument dagegen war, dass die Jungen ja auch keine Steuern zahlen. Da ging wohl vergessen, dass Steuern zahlen auch bei älteren Personen kein Zutritt zum Stimmrecht ist, man denke nur an die ausländische Bevölkerung. Die Enttäuschung bei den Vertreter:innen des Jugendparlaments war natürlich gross. 

Jugendschutz: Tabakwerbeverbot
Die von der Bevölkerung angenommene Initiative verlangte, dass Kinder und Jugendliche nicht in Berührung mit Tabakwerbung kommen dürfen. Der Nationalrat hat nun entschieden, dass mobiles Verkaufspersonal an Anlässen weiterhin für ihre Produkte werben darf, auch wenn sich dort Jugendliche aufhalten. Ebenfalls soll die Tabakindustrie weiterhin Veranstaltungen wie OpenAirs sponsoren dürfen. Da noch von Jugendschutz zu sprechen, ist lächerlich. Am Ende der Diskussion lehnten wir zusammen mit der SVP die Vorlage ab – aus total gegensätzlichen Gründen. Uns ging der Jugendschutz zu wenig weit, der SVP viel zu weit. Jetzt ist erstmal der Ständerat dran. Unklar ist, ob das Gesetz nachgebessert wird oder ob es zum Totalabsturz kommt. 

Sonntagsverkauf
Mit 107 zu 79 Stimmen entschied der Nationalrat, dass auch kleine Dorfläden mit Angestellten neu sonntags geöffnet haben dürfen. Ein neuerlicher Angriff auf das Sonntagsverkaufsverbot. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Sollte dieser der Vorlage ebenfalls zustimmen, ist ein Referendum wahrscheinlich.

Meine Geschäfte in der Frühjahrssession

Meine eigenen Vorstösse und Vertretungen der Kommissionen wurden leider allesamt abgelehnt. So etwa kam meine Motion zur Verhinderung von Geldwäscherei im Immobilienhandel, welche die volle Transparenz bei den Verkaufspreisen von Immobilien verlangt hat, nicht über das links-grüne Lager hinaus.

Auch «Schiffbruch» erlitt ich mit der Motion aus der Finanzkommission, welche für den Wiederaufbau der Ukraine einen Fonds schaffen wollte, dessen Äufnung ausserordentlich verbucht werden sollte. Damit sollte verhindert werden, dass nicht einfach das Budget im Bereich der internationalen Zusammenarbeit geplündert wird, wie dies das Finanzdepartement von Karin Keller-Sutter vorsieht. Die Schweiz muss sich auch in anderen Krisenregionen der Welt engagieren und mithelfen, dass die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erreicht werden können. Der Krieg in der Ukraine ist ein ausserordentliches Ereignis und soll deshalb auch ausserordentlich finanziert werden. Anders als noch in der Finanzkommission im letzten Herbst sahen dies die SVP, die FDP und die Mehrheit der Mitte jetzt anders und schickten die Motion bachab.

Auch mein Minderheitsantrag aus der Aussenpolitischen Kommission hatte keinen Erfolg. Es ging dabei darum, dass die Mehrheit der Kommission die Finanzierung des UN-Hilfswerk UNRWA einstellen wollen, weil es schwere Vorwürfe gegenüber Mitarbeitenden des Hilfswerks gibt, die enge Kontakte zu den Hamas haben sollen. Jegliche Zahlungen an das Hilfswerk sollen eingestellt werden. Diese Massnahme hat leider sehr populistische Motive. Denn schon heute prüft die Schweiz bei Zahlungen an das UNRWA, dass diese korrekt eingesetzt werden und nicht an Unterstützer:innen der Hamas fliessen. Auch die UNO tut dies. Fakt ist, dass das UNRWA das einzige Hilfswerk ist, dass die Bevölkerung im Gazastreifen noch mit dem Nötigsten unterstützen kann. Eine Aussetzung der Zahlungen riskiert, dass schuldlose Zivilist:innen noch stärker leiden als bisher. Zudem liegt ein Antrag auf ein Postulat vor, in welchem die Abläufe nochmals geprüft werden. Die Motion wurde nun doch überwiesen.

zum Schluss

Es war alles andere als eine erfolgreiche Session. Der Rechtsrutsch bei den nationalen Wahlen im Herbst zeigt sich leider bereits deutlich. Es scheint, als hätten die Bürgerlichen die Annahme der Initiative für eine 13. AHV nicht ertragen. Denn spätestens ab dem Abstimmungssonntag wurde alles, was Geld kostet, mit dem Argument abgelehnt, dass das Geld für die Finanzierung der AHV gebraucht werde und die Linke nun Schuld ist, dass es für nichts anderes mehr reiche (ausser natürlich für die Armee). Wir arbeiten bereits an seriösen Finanzierungsmöglichkeiten und werden diese auch kommunizieren. 

Unter der Leitung unseres Kollegen Eric Nussbaumer arbeiteten wir insgesamt 1`800 (!) Minuten an Motionen und Postulate ab. Ein Rekord. Hinter jedem persönlichen Vorstoss steht nicht nur die Arbeit des Ratsmitglieds, sondern auch der Verwaltung.  

Ein kleiner Lichtblick zum Schluss: Der Versuch der Bürgerlichen, die  Tonnagesteuer, welche ein Steuergeschenk an Reedereien wie MSC gewesen wäre, abzuschaffen, wurde nun mit Hilfe der Bürgerlichen abgewiesen. Immerhin erinnerten sich die Bürgerlichen an ihre Niederlage bei der Stempelsteuer, und liessen nun die Finger davon. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass die SP derzeit vor allem Erfolge feiert durch das Instrument des Referendums oder durch Initiativen wie die 13. AHV-Rente. Leider können wir aber längst nicht bei allen Gesetzesänderungen das Referendum ergreifen, auch wenn dies eigentlich notwendig wäre. 

Im Juni kommt mit der Prämienentlastungsinitiative ein nächster wichtiger Schritt gegen die Armut und für die Entlastung des Mittelstandes. Da heisst es wieder anpacken!
Aber vorher tun wir alles, damit die SP mit 2 starken Persönlichkeiten in der Kantonsregierung bleibt. Bettina Surber gehört einfach dorthin. 

Gute Ratskolleg:innen machen die vielen Niederlagen erträglicher.


Herzliche Grüsse und einen guten Start in den Frühling!

Claudia Friedl 

Übrigens: Mehr über meine politische Arbeit findest du laufend auf FacebookInstagram oder auf meiner Website.

PS: Nicht vergessen: Die St. Galler Regierungsratswahlen gehen am 14. April in die zweite Runde. Bettina Surber ist eine hervorragende Kandidatin für dieses Amt. Sie bringt jahrelange Erfahrung mit und engagiert sich für eine gerechtere Gesellschaft. Wichtig ist es im zweiten Wahlgang trotz zwei verfügbaren Stimmen für zwei Sitze ausschliesslich Bettina Surber zu wählen.