JA zur Biodiversitätsinitiative

Warum die Biodiversitätsinitiative so wichtig ist:

Woher kommen unsere Nahrungsmittel? Für viele Leute ist dies eine Frage, die sie sich kaum stellen. Der wöchentliche Grosseinkauf im Supermarkt ist Routine. Die Auslagen sind prall gefüllt. Das Verhältnis zwischen Ernährung und Natur wird immer distanzierter. Es rückt in den Hintergrund, was alles notwendig ist, um die Menschheit mit Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser zu versorgen. Unsere gesamte Nahrungsmittelversorgung funktioniert nicht ohne Biodiversität. Das haben die meisten vergessen. Biodiversitätsverlust wird als Wohlstandsgeplänkel abgetan. 

Biodiversität bedeutet Artenvielfalt, genetische Vielfalt sowie die Vielfalt der Lebensräume und deren Vernetzung. „Die Biodiversität ist unter massivem Druck“, musste das Bafu auch letztes Jahr wieder feststellen. Und dies, obwohl der Bundesrat schon 2017 einen Aktionsplan zur Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet hatte, weil er einen dringlichen Handlungsbedarf feststellte. 

Unübersehbar ist der Rückgang der Insekten. In den letzten drei Jahrzenten wird er in Mitteleuropa auf 60-70% beziffert. In der Schweiz sind heute 60% aller rund 40`000 Insektenarten vom Aussterben bedroht. Ein Drittel aller heimischen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sind bedroht oder bereits ausgestorben und die Hälfte der Lebensraumtypen stehen auf der roten Liste. Das bedeutet nichts anderes, als dass die bisherigen Massnahmen versagt haben. Die Biodiversität steht massiv unter Druck durch Bautätigkeit, Bodenversiegelung, Zerschneidung der Lebensräume, intensive Landwirtschaft oder Umweltgifte. 

Die Biodiversität hat keine laute Lobby im Parlament. Dies erklärt auch, warum es Anliegen zum Erhalt der Biodiversität so schwer haben, auch wenn die Situation äusserst bedrohlich ist. Bedrohlich, weil ohne Biodiversität vieles nicht funktioniert. Es gibt keine fruchtbaren Böden, keine funktionierende Bestäubung von Pflanzen, keine Förderung von Nützlingen, keine natürliche Reinigung von Wasser, keinen natürlichen Schutz vor Hangrutschungen und Überschwemmungen. Gerade zur Milderung der Auswirkungen des Klimawandels leistet die Biodiversität einen wichtigen Beitrag. So absorbieren intakte Wälder, Sümpfe, Moore oder Wildwiesen grosse Mengen CO2 und helfen Niederschläge zurückzuhalten. Die genetische Vielfalt ermöglicht den Arten eine Anpassung an den Klimawandel.

Auffällig ist, dass wieder die Agrarlobby massiv gegen die Initiative schiesst. Als Argument gegen die Initiative wird einmal mehr der Selbstversorgungsgrad aufs Tapet gebracht. Dieser liegt aber schon heute bei nur 45%. Würden die vielen Flächen, auf denen heute Tierfutter angebaut wird, für den Anbau von menschlicher Nahrung verwendet, könnte der Selbstversorgungsgrad schlagartig massiv erhöht werden. Aber diese Strategieänderung passt nicht allen in den Kram, weil sie das Geschäftsmodell der Intensivierung und Mechanisierung verfolgen und damit viel Geld verdienen können. 

Die Initiative ist aber auf keinen Fall gegen die Bäuerinnen und Bauern gerichtet. Im Gegenteil. Gerade für sie ist die Biodiversität von grosser Bedeutung. Eine nachhaltige Landwirtschaft macht sich die natürlichen Kreisläufe und das System der biologischen Vielfalt zu nutze. Bestäubung, Nützlinge, Bodenverbesserung, Wasserhaushalt sind dabei wichtige Themen. Diese Leistungen verlangen langfristig aber einen Verzicht auf die intensive Nutzung des Bodens. Extensive Flächen, Biotope und sie verbindende Korridore sind notwendig. Dieser Verzicht soll abgegolten werden, das verlangt die Initiative.  Damit wird das Einkommen der Land:wirtinnen gesichert.

Die Initiative richtet sich aber nicht nur an die bäuerliche Bevölkerung. Genauso gefordert sind die Planer:innen und Architekt:innen. Im Siedlungsraum besteht heute ein enormes Potential zur Förderung der Biodiversität. Aber auch hier braucht es eine Sichtänderung, weg von der Maximierung von Raumausnutzung und steriler Gestaltung hin zu mehr Raum für Wildnis und Biodiversität.  

Vieles ist möglich und alles ist ein echter Gewinn für die Bevölkerung. Die grosse Bedeutung der Biodiversität, der Landschaften und Kulturgüter rechtfertigen den Schritt, ihren Schutz und dessen Finanzierung in der Verfassung besser zu verankern. Die Initiative nennt keine Zahlen. Das Ziel ist einfach, das Vorhandene zu retten. Eine Zukunftsinitiative!

Claudia Friedl, Nationalrätin SP/SG