Sessionsbrief Winter
Liebe Politikinteressierte
Die Wintersession ging vor wenigen Minuten zu Ende. Wie immer war die Wintersession geprägt von der Budgetdebatte und diesmal zusätzlich die Finanzrahmen der nächsten 4 Jahre für Politikbereiche wie Kultur, Armee oder Internationale Zusammenarbeit. Weil die Armee stark wachsen soll, müssen andere kürzen, so einfach ist das. Besonders unter Druck ist die Entwicklungszusammenarbeit und damit die Menschen im globalen Süden.
Kurz & kompakt:
- Die Schweiz tritt dem UN-Migrationspakt nicht bei.
- Status S für Ukrainer*innen wird eingeschränkt.
- Die Armee wird kräftig aufgestockt auf Kosten anderer Aufgaben.
- Die internationale Zusammenarbeit wird trotz massiver Kritik gekürzt.
- Etwas mehr Geld gibt es für die Presseförderung.
- Hamas und Hisbollahs werden als terroristische Organisationen verboten.
- Die Abschaffung des Eigenmietwerts wirft viele Fragen auf, soll aber nun abgeschafft werden, trotz Steuerausfällen von etwa 1.7 Milliarden. Darüber wird das Stimmvolk entscheiden.
Finanzpolitik
Voranschlag
Es war ein wahrer «Chrampf», das Budget! Der Bundesrat legte ein austariertes Budget vor. National- und Ständerat hatten aber noch andere Ideen. So wechselte die Vorlage dreimal zwischen den beiden Räten hin und her. Die letzten Differenzen wurden an der Einigungskonferenz beigelegt. Das Spar-Dilemma entstand nicht etwa daraus, weil wir zu wenig Geld hätten, sondern weil nach Vorstellung des Nationalrats die Armee jährlich 530 Millionen mehr bekommen sollte, als der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die Mehrausgaben sollen dazu führen, dass die Schweiz mindestens 1 % des BIP in die Armee steckt. Der Nationalrat wollte dies bis 2030 erreichen und brauchte daher 530 Millionen mehr als der Bundesrat, der das 1%-Ziel erst 2035 erreichen wollte. Diese 530 Millionen mussten also an anderen Orten eingespart werden. Natürlich kam von bürgerlicher Seite sofort der Vorschlag bei der internationalen Zusammenarbeit (IZA) zu kürzen. Dieses Geld hätte sowieso keine Wirkung, sonst gäbe es nicht so viele Konflikte auf dieser Welt – ein einfach gestricktes Weltbild der bürgerlichen Seite. Wir verwiesen auf die nachgewiesene positive Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe und verlangten einen Ausbau – chancenlos. Wir konnten das Schlimmste abwenden. So kam es zu -110 Millionen bei der IZA, -185 Millionen im Asylwesen und -70 Millionen beim Personal. Nur der Landwirtschaft gelang es einmal mehr für sich ein Plus von 43 Millionen herauszupressen.
Am Schluss ging das Budget mit 189 zu 5 Stimmen durch. Es ist nicht unser Budget, aber das Schlimmste konnten wir abwenden.
Sicherheitspolitik & Aussenpolitik
Schutzstatus S nicht mehr für alle Ukrainer*innen
Traurig macht mich der Entscheid des Nationalrats (96 zu 87 Stimmen), den Schutzstatus – S nicht mehr allen Ukrainischen Flüchtlingen zuzugestehen. Diesen erhalten zukünftig nur noch Menschen aus «besetzten» oder «umkämpften» Gebieten. Dies, obwohl die gesamte Ukraine praktisch täglich in Form von Luft- und Raketenangriffen vom russischen Terror betroffen ist. Eingebracht hatte die Motion unsere SVP Ständerätin Esther Friedli. Ebenfalls angenommen hat das Parlament einen Vorstoss von unserem zweiten St. Galler Kantonsvertreter. Ständerat Beni Würth hat erwirkt, dass ukrainische Geflüchtete nicht mehr länger als zwei Wochen in ihre Heimat reisen dürfen, sonst verfällt ihr Schutzstatus. Das ist einfach nur eine Schikane dieser Menschen. Zu verantworten haben diese Politik die SVP, FDP und Teile der Mitte.
Immerhin knapp abgelehnt wurde aufgrund des Drucks der SP (eine Petition mit 140`000 Unterschriften wurde innerhalb kürzester Zeit eingereicht!) ein generelles Verbot des Familiennachzugs von vorläufig Aufgenommenen. Dieser unmenschliche Vorstoss, der jegliche Familienzusammenführung verhindert hätte, stammte von Esther Friedli. Der Ständerat versenkte den Vorstoss zwar nur knapp mit 20 zu 18 Stimmen, aber zum Glück ist er nun weg.
Parlament verweigert Zustimmung zum UN-Migrationspakt
Für mich persönlich ein Tiefpunkt dieser Session war, dass sich die Schweiz weigert dem UN-Migrationspakt beizutreten. Der UN-Migrationspakt ist rechtlich nicht bindend, fordert aber die Anerkennung von Migration als komplexes, globales Phänomen. Ziel ist es, die Herausforderung der globalen Migration lösungsorientiert zu begegnen und die Wahrung der Menschenrechte sicherzustellen. Vereinfacht gesagt ist der UN-Migrationspakt eine Leitlinie für den Umgang mit Migration. Erfreulich ist, dass die Schweiz die Grundsätze eigentlich anerkennt und erfüllt. Umso peinlicher ist das jetzige Nein von SVP, FDP und Mitte. Damit senden die Bürgerlichen das Signal aus, dass die Schweiz nicht bereit ist, in der Migrationspolitik international zusammenzuarbeiten. Diese Politik der Abschottung und Härte steht diametral zu den humanitären Traditionen der Schweiz.
Hamas und Hisbollah werden verboten
Zusätzlich zur palästinensischen Organisation Hamas hat das Parlament entschieden, nun auch die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah zu verbieten. Der Bundesrat empfahl eine Ablehnung. Er macht dabei einen Unterschied zwischen Hamas und Hisbollah und verweist auch darauf, dass es weltweit noch viele andere Gruppierungen gäbe, die verboten werden müssten. Wir wünschten eine Zuweisung an die Aussenpolitische Kommission für weitere Abklärungen, kamen damit aber nicht durch. Nachdem der Ständerat bereits zugestimmt hatte, stimmte dann auch der Nationalrat der Motion mit 126 zu 20 Stimmen bei 41 Enthaltungen zu. Ich habe mich zusammen mit den meisten SPlerInnen enthalten.
Umwelt/ Energiepolitik
Rettung Stahlproduktion Gerlafingen war umstritten: Netzgebühren erlassen.
Erfreulicherweise stimmte das Parlament der Unterstützung der schweizerischen Stahlwerke zu. Diese leiden unter den hohen internationalen Energiepreisen und unter einer ungleichen Konkurrenz mit dem Ausland, wo die Stahlproduktion stark subventioniert ist. Mit total 37 Millionen Franken bis ins Jahr 2028 subventioniert die Schweiz die Energiekosten für insgesamt 4 Werke, sofern diese ihren Standort in der Schweiz behalten. Einerseits ist diese Subvention sinnvoll aufgrund der Arbeitsplätze, andererseits sind die Schweizer Stahlwerke durchaus auch wichtig für die Umwelt, da sie grosse Mengen an inländisch anfallendem Stahlschrott wiederaufbereiten und in den Stoffkreislauf bringen. Im Nationalrat stimmten wir der Vorlage mit 105:84 (zwei Enthaltungen) zu. Ermöglicht wurde die Zustimmung dank dem linken Lager, zusammen mit grossen Teilen der Mitte und auch Teilen der SVP. Mehrheitlich dagegen waren FDP, SVP und GLP.
Hochwasserschutz im Rheintal
Ein Thema, dass mich schon lange beschäftigt, ist der Ausbau des Hochwasserschutzes im Rheintal. Das Mega-Projekt umfasst eine 26 Kilometer lange Strecke von der Ill-Mündung bei Feldkirch bis zum Bodensee. Ziel ist es, die Abflusskapazität des Alpenrheins von 3.100 auf 4.300 Kubikmeter pro Sekunde zu erhöhen und die veralteten Hochwasserdämme zu sanieren. Dies soll auch sehr grosse Hochwasserereignisse, die alle 300 Jahre auftreten, bewältigen können und so Schäden in Höhe von über 13 Milliarden Franken verhindern. Leider ist man bei diesem Projekt auf halbem Weg stehen geblieben. Umweltverbände haben von Anfang an mitgemacht, um das Optimum für Natur und Biodiversität in diesem Generationenprojekt herauszuholen. Diese einmalige Chance wurde leider nur teilweise genutzt. Die Umsetzung des Projekts wird bis 2052 dauern, die Kosten betragen rund eine Milliarde Franken, wobei der Bund 80 % und der Kanton St. Gallen 20 % tragen. Das Projekt ist notwendig, um das Rheintal besser vor Hochwasser zu schützen. Deshalb wurde dem Projekt, welches zusammen mit Österreich verwirklicht wird zugestimmt.
Gesellschaft & Wohnen
Frauenfussball EM
Der Frauenfussball nimmt an Schwung auf. Dies zeigt sich darin, dass der Nationalrat die Frauenfussball-EM von 2025 mit 15 Millionen Franken unterstützen will. Verglichen mit dem Beitrag 2008 von 80 Millionen Franken für die Männer EM in der Schweiz ist der Betrag immer noch klein und für mich nicht wirklich erklärbar. Wenigstens ist es eine Verbesserung gegenüber den geplanten 4 Millionen Franken, die der Bundesrat vorgesehen hatte.
Presseförderung
Grundsätzlich positiv zu erwähnen ist, dass es uns gelang, die indirekte Presseförderung zu erhöhen (auf 65 Millionen Franken jährlich). Diese Beiträge fördern die Medienlandschaft indirekt, indem die Postzustellung von Zeitungen subventioniert wird. Für den Moment macht dies Sinn. Längerfristig ist aber mehr notwendig. Dazu braucht es ein nachhaltiges Konzept, um die Medienlandschaft in der Schweiz zu fördern und zu erhalten.
Eigenmietwert
Eine komplizierte Vorlage erwartete uns alle, die nicht in der Kommission dabei waren. Nach langem Hin und Her und einem überraschenden Schwenk des Ständerats wurde der Eigenmietwert sowohl auf Erst-, als auch auf Zweitliegenschaften abgeschafft. Auch wenn die Kantone die Möglichkeit erhalten sollen eine Objektsteuer einzuführen, wären die Steuerausfälle von etwa 1.7 Mrd. Franken erheblich. Künftig sollen Schuldzinsen nicht mehr abgezogen werden können, aber auch Erneuerungen und energetische Sanierungen sollen nicht mehr abzugsfähig sein. Dies hemmt unter Umständen die Investitionen in den Unterhalt und widerspricht den Energiestrategien in den Kantonen. Gegen die Steuerausfälle in den Bergkantonen bei den Zweitwohnungen wird eine neue Objektsteuer eingeführt. Diese muss jedoch noch durch eine Volksinitiative bewilligt werden. Der Nationalrat hat die Vorlage mit 106:69 und 19 Enthaltungen angenommen. Alle Fraktionen waren uneinheitlich. Die SP stimmte grossmehrheitlich dagegen wegen den hohen Steuerausfällen. Da eine Verfassungsänderung notwendig ist, wird am Ende die Stimmbevölkerung über die Abschaffung des Eigenmietwerts befinden. Ich denke, das System muss nochmals gut überdacht werden.
Mindestfranchise wird erhöht
Leider stimmten sowohl National- und Ständerat der Erhöhung der Mindestfranchise von 300 auf 500 Franken zu. Das trifft vor allem Menschen mit kleinem Portemonnaie und chronisch erkrankte Menschen. Die Ratslinke wehrte sich vergeblich gegen die bürgerliche Dominanz.
Fazit:
Es war eine Session unter Sparwahn. Dies wäre nicht nötig, wenn die Armee nicht so sehr aufgeblasen würde. Die Finanzen sind gesund. Aber die Armeefreunde sind im Aufwind aufgrund der angespannten geopolitischen Lage. Die Welt braucht dringend mehr Frieden. Und da sollte die Schweiz einen starken Beitrag leisten.
Weihnachtliche Grüsse aus dem Bundeshaus.
Nun wünsche ich dir eine schöne Weihnachtszeit und einen gelungenen Jahresstart!
Claudia Friedl