Trumps fataler Imperialismus

Es ist kaum zu glauben, was in den letzten Monaten seit Trumps Amtseinführung alles passiert ist. Da ist sein menschenverachtendes Vorgehen gegen Migrant*innen und Minderheiten, da ist der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen, der WHO und dem UN-Menschenrechtsrat, da sind Drohungen Territorien zu annektieren, da sind die Eskapaden von seinem Gehilfen Musk, welcher gezielt Teile der Verwaltung zerschlägt – die Liste liesse sich noch lange fortsetzen. Der letzte Akt ist die Einführung enormer Zölle für alle. Das alles ist äusserst besorgniserregend, denn es öffnet Tür und Tor für Nachahmer*innen. Argentiniens Kettensäge-Präsident Javier Milei hat den Austritt aus der WHO verkündet, Israel wiederum tritt aus dem UN-Menschenrechtsrat aus.
Diese Schritte von Trump sind insofern wenig überraschend, als dass unter dem Motto «America-First» wenig Platz bleibt für internationale Kooperation. Ausgerechnet die USA als ehemalige vorzeige Demokratie und als zentrale Akteurin bei der Gründung der UNO – Roosevelts und Churchills «Atlantik-Charta» legte 1941 die Grundlage für die Vereinten Nationen, wenden sich vom Internationalismus ab. Das allein wäre schon schlimm genug, doch Trump geht noch einen Schritt weiter: Seine aggressive Rhetorik gegenüber Panama und Grönland sowie den Palästinenser*innen ist schlicht imperialistisches Machtgehabe. Eine «Riviera des Nahen Ostens» wolle er entstehen lassen und die Palästinenser*innen zwangsumsiedeln. Das ist unfassbar zynisch und abscheulich gegenüber der kriegsversehrten palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen.
Trumps neofaschistischer Politikstil ist fatal. Die Errungenschaften, welche nach dem zweiten Weltkrieg und nach Jahrzehnten des Leides entstanden, stehen auf dem Spiel. Der Einwand, dass es trotz der UNO immer wieder zu Verstössen gegen das Völkerrecht gekommen ist (mitunter auch durch die USA) ist zwar korrekt, aber die grosse Entwicklungslinie hin zu einer Weltgemeinschaft, welche die Grenzen anderer Staaten akzeptiert und in der nicht nur das Recht des Stärkeren gilt, war nach Jahrhunderten von Feldzügen, Kriegen und Kolonialismus unübersehbar und von unschätzbarem Wert. Es schien spätestens nach dem Mauerfall nicht mehr völlig illusorisch eines Tages in einer friedlichen Welt der Kooperation zu leben.
Heute wissen wir, dass der Glauben ans «Ende der Geschichte» sich nicht erfüllt hat. In einer Welt, die weitgehend von Egoismus, Nationalismus und einem entfesselten Neuoligarchen-Kapitalismus (Meta, X und co.) dominiert ist, ist ein Weltfrieden unmöglich. Der aufflammende Neoliberalismus mit seinem Zwang zu Konkurrenz und Gewinnmaximierung führt zwangsläufig zu einer egoistischen Gesellschaft, in der sich viele Menschen in einem ständigen Existenzkampf befinden. Wer in ständiger Abstiegsangst und Unsicherheit lebt, ist eher bereit, auf die grossmäuligen Versprechungen einer vermeintlich «starken Führungsperson» hereinzufallen oder Randgruppen für die negativen Entwicklungen verantwortlich zu machen. Deregulierte Soziale Medien und eine Medienlandschaft im Wandel dienen als Katalysator einer gefährlichen Entwicklung. Für Solidarität und ein ausgebautes soziales Sicherungsnetz ist einem entfesselten Kettensäge-Kapitalismus keinen Platz. Die Abschaffung der Entwicklungshilfe USAID und das damit einhergehende globale Leid ist das beste Beispiel dafür.
Der Umstand, dass auch in Europa Kräfte im Vormarsch sind, welche Trump nacheifern oder mindestens «mehr Trump wagen» wollen, besorgt mich sehr. Der Multilateralismus ist unter starkem Druck. Um so mehr liegt die Hoffnung in Institutionen wie der EU. Diese gibt noch Hoffnung, dass internationale Kooperation und Rechtsstaatlichkeit sich behaupten können, obschon auch innerhalb der EU eine Tendenz zu verstärktem Nationalismus feststellbar ist. Es bleibt zu hoffen, dass die EU nicht gegenüber Trump einknickt und es den nationalistischen Kräften nicht gelingt, die EU weiter zu unterwandern.
Die Rolle der Schweiz könnte – ja müsste es eigentlich sein, sich vehement für die internationale Kooperation einzusetzen. Sie wäre mit dem Hauptsitz der UNO und ihrer historisch gewachsenen Rolle als Vermittler*in prädestiniert, um sich dezidiert zu Verstössen gegen das Völkerrecht und zu Austritten aus internationalen Organisationen und Verträgen zu äussern. Leider scheint es, als würde Bundesrat Cassis und viele Bürgerliche glauben, dass die Schweiz eine Insel sei, welche von all dem nicht betroffen ist. Damit täuschen sie sich. Globale Probleme wie der Klimawandel, Kriege, Flucht, Epidemien und der aufkeimende Imperialismus betreffen ein kleines aber reiches Land wie die Schweiz genauso. Zu wünschen wäre ein mutiger Bundesrat, welcher mehr Einsatz für den Multilateralismus und die internationale Zusammenarbeit zeigt und auch einmal klare Worte gegenüber Trump (und seinen Freunden) findet. Vor allem aber ist ein vorbildliches Vorangehen notwendig, wenn es darum geht, die internationale Zusammenarbeit zu finanzieren. Mit den Sparübungen bei der Entwicklungshilfe setzt die Schweiz in diesen Zeiten ein völlig verkehrtes Zeichen: Ein Zeichen, das sich gegen Solidarität und Kooperation richtet. Mit dieser kurzsichtigen Politik verspielt die Schweiz viel Kredit und Glaubwürdigkeit sowohl im globalen Süden, als auch gegenüber europäischen Partnern. Es ist zentral, dass die politischen Parteien der Mitte (von rechts ist wenig zu erwarten) diesen Kurs korrigieren und erkennen, dass Investitionen in die Entwicklungshilfe Teil der Diplomatie und internationalen Zusammenarbeit sind, von welcher die Schweiz profitiert.
Der Schweiz und der Welt stehen keine einfachen Zeiten bevor. Die Hoffnung zu verlieren ist trotzdem nicht die Lösung. Die Schweiz hat Einflussmöglichkeiten und muss diese so weit wie möglich nutzen – für eine gerechte und friedliche Welt.
Claudia Friedl
St. Gallen, 27. März 2025