Sessionsbrief Frühjahr 2025

Liebe Freunde, Bekannte und Interessierte

Wir erleben gerade strube geopolitische Zeiten. Ein brachialer Kapitalismus, zelebriert von Machotypen und unterstützt durch eine manipulierende Informationstechnologie beherrschen ab sofort die Welt.

Kurz & kompakt:   

  • UNRWA bekommt weiterhin Hilfsgelder für den Gazastreifen.
  • Mindestfranchise wird erhöht und freie Arztwahl eingeschränkt. 
  • SVP Hetze gegen Migrant:innen schlägt sich zunehmend in härteren Gesetzen nieder.
  • Initiative für eine Zukunft der Juso und die Service-Citoyen Initiative werden deutlich abgelehnt

Bern zeigte sich in den Sessionswochen eins und drei von seiner sonnigen Seite.

Bundesratswahl

Absage um Absage bei der Mitte für das Bundesratsamt von Viola Amherd. Irgendwann stand fest: Pfister vs. Ritter ist die Ausgangslage. Dass der Sitz der Mitte zusteht, war unbestritten. Die Auswahl mit zwei Männerkandidaturen aus dem konservativen Parteispektrum und gleichem Alter war jedoch für uns sehr enttäuschend. Trotzdem war für uns klar, dass wir aus dem Ticket wählen würden. Es bot sich einfach niemand als erfolgsversprechende Sprengkandidatur an. Bereits nach dem 1. Wahlgang war klar, dass es keine Spielchen geben würde. Im zweiten Wahlgang stand Martin Pfister als Sieger fest. Bei ihm wird sich noch zeigen müssen, wo er politisch als Bundesrat steht. Bei der 4 zu 3 oder 5 zu 2 Mehrheit im Bundesrat wird es bei dieser «Zauberformel» ohnehin bleiben. 

Hinter den Kulissen bei den Bundesratswahlen. Mittlerweile sind diese jeweils ein gigantisches mediales «Happening».

Finanzpolitik

PUK Credit Suisse

In der letzten Sessionswoche wurde der PUK-Bericht zum Niedergang der Credit Suisse vorgestellt. Von links bis rechts sind wir uns einig, dass beim 600 seitigen Bericht sehr gute Arbeit geleistet wurde und Massnahmen aufgezeigt wurden, damit sich so ein Debakel nicht wiederholen kann. Bei diesen ist die Einigkeit dann aber bereits am Ende. Zwar stimmte der Nationalrat einigen Massnahmen zu, so soll etwa die Finanzmarkt- und Bankenaufsicht Finma mehr Handlungsspielraum erhalten und die Eigenmittelregelung der Banken soll etwas verschärft werden. Ich bin jedoch äusserst skeptisch, ob die jetzt vorgesehenen Massnahmen ausreichend sind. Das UBS Lobbying bei den Bürgerlichen ist immens und könnte dazu führen, dass unsere Forderungen wie ein Boni-Verbot, deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen, transparente Bankenstrukturen, eine verstärkte Aufsicht und klarere Vorgaben für Rettungsmassnahmen unter den Tisch gefegt werden. Immerhin stimmte der Nationalrat einem SP Vorstoss für eine Lohnobergrenze zu, diese muss aber noch vom Ständerat angenommen werden. Abgelehnt wurde bereits unser Vorstoss, dass Parteien keine Spenden mehr von Grossbanken annehmen dürfen. Wie heisst das Sprichwort? Keiner beisst die Hand, die ihn füttert.

Initiative für eine Zukunft

63 Redner:innen, 4 abgelehnte Gegenvorschläge und am Ende ein klares Verdikt mit 132:49 Stimmen bei 8 Enthaltungen ist die Kurzzusammenfassung der Debatte. Der Nationalrat sprach sich leider sehr deutlich gegen die Initiative für eine Zukunft von den JUSOs aus. Nicht umsetzbar, schädlich für die ganze Schweizer Bevölkerung, Neid – das waren so die gängigsten Argumente dagegen. Dass auch jegliche Bemühungen um einen Gegenvorschlag chancenlos blieben, zeigt, dass die Bürgerlichen keinerlei Interesse daran haben, die aufgehende Schere zwischen arm und reich zu reduzieren und endlich genügend Geld für das Zukunftsprojekt zur Bekämpfung des Klimawandels bereit zu stellen.  

Aussenpolitik & Migration

Aufbauhilfe für die Ukraine

Mit 124 zu 65 Stimmen (SVP) beschloss der Nationalrat, dass sich die Schweiz mit 96 Millionen Franken an einer Kapitalerhöhung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) zugunsten der Ukraine beteiligt. Die Kapitalerhöhung der EBRD beträgt insgesamt 4 Milliarden Euro. Die Schweiz beteiligt sich somit mit rund 2.4% an der Kapitalerhöhung, was nicht üppig ist. Trotzdem ist das Zeichen wichtig, dass die Schweiz bei multilateralen Organisationen präsent sein will. Der Ständerat stimmte dieser Erhöhung bereits zu.

Hier gibt’s das Video zu meinem Votum in der Ratsdebatte.

SVP-Hetze gegen Asylant:innen

Dem aktuellen internationalen Trend folgend erzwang die SVP eine sogenannte «Sonderdebatte» zum Thema Asyl (wie bereits in der letzten Session). Die sogenannte «Volkspartei» reichte dabei zahlreiche ausländerfeindliche Vorstösse ein. Leider sprang ein Teil der FDP und der Mitte auf den Zug auf und folgte mehreren SVP-Vorstössen. Dies entgegen der Empfehlung des Bundesrats. So musste unser Justizminister Beat Jans verschiedene Aufträge entgegennehmen, die er bekämpfte. So wurde beispielsweise eine Motion überwiesen, welche die Bewegungsfreiheit von Menschen einschränken will, gegen die die Polizei ermittelt. Dadurch können Grundrechte beschnitten werden einzig aufgrund von Verdachtssituationen, wenn also noch völlig unklar ist, ob eine Person wirklich straffällig geworden ist. Auch ist die Ungleichbehandlung zwischen Asylant:innen und «Nicht-Asylant:innen» sehr problematisch. 

Familiennachzug

Eine Enttäuschung war das Nichteintreten auf eine Pa.Iv. unseres Kollegen Angelo Barile. Es geht um eine Verbesserung des Familiennachzugs von Inländer:innen, Betroffen von dieser sogenannten «Inländerdiskriminierung» sind hauptsächlich ausländische Ehegatten von Schweizer:innen, sowie eingebürgerte Schweizer:innen, die ihre direkten Angehörigen aus ihren früheren Heimatländern zu sich holen möchten. Für sie gelten strengere Regeln als für EU-Bürger:innen. Mit 113:72 Stimmen bei 2 Enthaltungen trat der Nationalrat nicht einmal auf die Vorlage ein. Gewarnt wurde von angeblich „unkontrollierter Einwanderung“. Zusammen mit den Grünen und der GLP standen wir auf verlorenem Posten. 

UNWRA Wende: Ständerat gibt Geld frei

Etwas überraschend hat der Ständerat die Motion von SVP Nationalrat David Zuberbühler verworfen, nachdem der Nationalrat in der Herbstsession 2024 dafür votierte. Mit 25:19 (1 Enthaltung) Stimmen entschied der Ständerat, dass die Schweiz die Gelder für das Palästinenserhilfswerk UNRWA weiterhin freigibt. Für die menschenrechtlich und humanitär unhaltbare Situation im Gazastreifen ist dies enorm wichtig. Eine Mehrheit aus SP/Grüne und Mitte stimmten für die Hilfe und somit gegen die Motion. Während unser St. Galler Ständerat Beni Würth gegen die Streichung votierte, sprach sich irritierenderweise SP-Genosse Jositsch zusammen mit der SVP und der FDP dafür aus.

Umwelt/ Energiepolitik

Gentechmoratorium bis 2030 soll beibehalten werden

Mit 153 zu 42 Stimmen (1 Enthaltung) stimmte der Nationalrat erfreulicherweise deutlich für eine Verlängerung des Gentechmoratoriums. Noch fehlt die Zustimmung des Ständerats, diese ist aber wahrscheinlich. Das Thema wird aber im nächsten Jahr wieder zu reden geben. Dann präsentiert der Bundesrat nämlich ein neues Gesetz zur Gentechnologie, auch mit der Option, das Moratorium dann anzupassen.

Gesundheitspolitik & Gesellschaft

IV: Frühförderung von Kindern mit Autismus bleibt gesichert

Ein kleiner Lichtblick: Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat (40:0 Stimmen!) entschieden, dass Kinder im Vorschulalter mit schweren Autismus-Spektrum-Störungen weiterhin gezielt gefördert werden sollen. Bislang lief die Finanzierung über einen Pilotversuch und wird nun ins IV-Gesetz überführt.

Freie Arztwahl bedroht

Peter Hegglin ist Mitte Ständerat aus dem Kanton Zug. Peter Hegglin ist aber auch Verwaltungsrat beim Verband der Schweizerischen Krankenkassen Santé Suisse. Welche Interessen er damit vertritt ist also ziemlich klar: Diejenigen der Krankenversicherungen und nicht diejenige der Versicherten. Genau das wird bei seinem Vorstoss klar, den wir im Nationalrat diskutierten. Hegglins Motion fordert, dass die Krankenkassen zukünftig selbst entscheiden dürfen, mit welchen Ärzt:innen und Spitälern sie zusammenarbeiten. Es droht damit das Ende der freien Arztwahl. Es ist völlig klar, dass ökonomische Kriterien der Krankenversicherungen zukünftig die Auswahl der Vertragspartner mitbestimmen werden. Obwohl sogar der Bundesrat die Motion ablehnte, stimmte der Nationalrat gegen den Widerstand von uns, den Grünen und Grünliberalen mit 113:72 (6 Enthaltungen) der Vorlage zu. Unsere Bundesrätin Elisabeth muss jetzt gegen ihren Willen einen Gesetzesvorschlag dazu ausarbeiten. 

Mindestfranchise soll definitiv erhöht werden

Der Nationalrat bestätigt seinen Entscheid die Mindestfranchise zu erhöhen. Mit 118:70 (4 Enthaltungen) stimmte eine bürgerliche Mehrheit für eine entsprechende Motion von Esther Friedli. Diese Erhöhung betrifft insbesondere alle armutsgefährdeten Menschen in der Schweiz (was ungefähr 1.3 Millionen Menschen sind!) und insbesondere auch chronisch kranke und ältere Menschen. Ich finde diese Erhöhung in Zeiten steigender Preise für Mieten und Lebensmittel völlig fehl am Platz. Einkommensabhängige Prämien wären der richtige Schritt wenn bei der Finanzierungsseite der Prämien angesetzt werden soll.

Service-Citoyen Initiative

Die Service-Citoyen Initiative wirkt auf den ersten Blick sympathisch: Ein Dienst an der Gesellschaft würde doch den jungen Menschen in der Schweiz guttun und den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Die Initiative hat jedoch zahlreiche Nachteile. Es bleibt unklar, wie lange der Dienst dauern soll. Es stellen sich auch verschiedene Hürden, wie etwa wer all die jungen Menschen in ihrer neuen Tätigkeit anleitet,  die Unterbrechungen der Ausbildungen junger Menschen erhöhen deren finanziellen Druck und erschwert einen erfolgreichen Bildungsabschluss. Es gibt einen Lohndruck in Bereichen wie der Pflege und Betreuung, wo günstige «Zivis» eingesetzt werden sollen. Auch ist unklar, ob die Initiative nicht gegen das Zwangsarbeitsverbot verstösst. Statt eines verpflichtenden Dienstes sollten freiwillige Engagements auf andere Weise gefördert und besser anerkannt werden. Dass es unserer Gesellschaft gut tun würde, wenn Werte wie Solidarität und freiwilliges Engagement wieder mehr gewichtet würden, ist für mich klar. Dazu beitragen könnte eine Arbeitszeitverkürzung. Ein entsprechender Gegenvorschlag von uns zusammen mit den Grünen wurde jedoch deutlich abgelehnt. Die Initiative selbst wurde mit 166:19 Stimmen in aller Deutlichkeit verworfen. Mein Votum zur Initiative kann hier nachgeschaut werden.

Meine Vorstösse

Doppelinterpellation Emissionshandelssystem

Das Emissionshandelssystem (EHS) ist eigentlich eines der wichtigsten politischen Klimaschutzinstrumente und nimmt vorwiegend grosse Industrieanlagen mit hohen Emissionen wie Zementwerke, Raffinerien, Papierfabriken, Aluminium- und Stahlkonzerne oder Chemieunternehmen ins Visier. Diese müssen für jede ausgestossene Tonne Treibhausgas ein Emissionsrechte vorweisen, welche sie an einer Art Börse einkaufen müssen. Damit die Unternehmen nicht aus der Schweiz abwandern subventionierte die Schweiz diese Unternehmen mit Gratiszertifikaten. Nun hat sich herausgestellt, dass durch diese Praxis die grössten Umweltverschmutzer wie beispielsweise Holcim viel weniger bezahlen mussten, als sie mit der CO2-Abgabe hätten bezahlen müssen. So verfehlt der Emissionshandel seine Wirkung. Dazu habe ich zwei Interpellationen eingereicht, welche hier und hier nachzulesen sind. 

Fragestunden zu den US-Tech-Giganten

Unsere Fraktion hat einen ganzen Strauss von Vorstössen zur Problematik der Tech-Giganten, KI und was sonst noch wichtig ist in diesem Bereich. Wir haben viel zu lange geschlafen. Ich stellte dem Bundesrat Fragen zum Umgang mit den US-Techkonzernen wie Meta, Apple, Google, X und co, welche sich bei der Regierung Trump anbiedern, um Regulierungen zu verhindern oder abzubauen. Ihre unfassbare Marktmacht ist brandgefährlich, wie Elon Musk in aller Deutlichkeit aufzeigt. Hier und hier meine Fragen dazu. 

Zu diesem Thema habe ich kürzlich auch an der OSZE Parlamentarier:innen Versammlung in Wien gesprochen. Auf meiner Website kann meine Rede nachgelesen werden.

An der OSZE-Parlamentarier:innenversammlung in Wien.

Fragestunde zum Menschenhandel in der Sexarbeit

Wenig Aufmerksamkeit erhalten in Zeiten geopolitischer Krisen Themen wie der Menschenhandel. Dazu fand eine interessante Mittagsveranstaltung organisiert von der FIZ Zürich statt. Gerade in der Sexarbeit ist Menschenhandel weiterhin ein sehr grosses Problem. Dazu habe ich den Bundesrat gefragt, was unternommen wird, um in dieser Branche Opfer von Menschenhandel besser identifizieren und schützen zu können.

Fazit

Die Frühjahrssession lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Einige Lichtblicke wie etwa die Finanzierung der UNRWA oder die Finanzierung von Ukraine-Wiederaufbauhilfen sind positiv. Es sind Highlights. Solidaritätsthemen haben es aber im Parlament weiterhin äusserst schwer. Es ist keine Bereitschaft vorhanden, die Reichsten mehr in die Verpflichtung zu nehmen. Stattdessen wird der Druck auf die ärmeren erhöht. Dass es Gerechtigkeit schwer hat und stattdessen das Grosskapital geschützt wird, zeigte auch das Nicht-Eintreten auf unsere jahrelangen Bemühungen, Sammelklagen zu ermöglichen (112 nicht:74 für Eintreten). Solche Momente zeigen, dass wir weiterhin «von der Strasse» und der Öffentlichkeit viel Druck benötigen, um Fortschritte zu erzielen. Diese sind möglich, das zeigte beispielsweise die Initiative für eine 13. AHV oder die unglaublichen 120000 Unterschriften, welche im Herbst gegen einen Vorstoss das Recht auf Familiennachzug von Kriegsflüchtlingen gänzlich zu stoppen, innert 24 Stunden gesammelt wurden. Wir als SP Schweiz sind und bleiben schlagkräftig! Dies gibt in diesen geopolitisch düsteren Zeiten Hoffnung.

Herzliche Grüsse und eine schöne Frühlingszeit!


Claudia Friedl 

Übrigens: Mehr über meine politische Arbeit findest du laufend auf FacebookInstagram oder auf meiner Website.